Rückblick

Es ist Dezember. In wenigen Tagen feiern wir den 4. Advent. Das vierte Licht, das unseren Alltag erleuchtet. Und dann folgt Heiligabend, Weihnachten. Die stille und heilige Nacht. Mir ist in dieser Adventszeit eines am aller wichtigsten: Besinnung. Ein Zur-Ruhe-Kommen, ein Ankommen bei Jesus.

Das letzte Jahr war unheimlich aufregend für mich. Ich habe total viel gelernt. Ich musste und durfte Dinge wagen: eine Beziehung, ein Blick in die Zukunft, eine Begegnung mit meinem Innersten, wo ich so gern die Tür zulasse und viele weitere Dinge. Ich habe viel geweint, mich viel gefreut, bin über meinen Schatten gesprungen und habe versucht mich heilen zu lassen. Ganz tief im Innern.

Ich bin so dankbar. Zu Beginn des Jahres habe ich mir Ziele gesetzt, an deren Erfüllung ich nicht geglaubt habe. Es war mein erster kleiner Versuch zu träumen und heute sitze ich hier und ich habe sie alle erreicht. Das sage ich nicht, um mich zu feiern, sondern aus tiefer Dankbarkeit.

Das Netz aus Unzulänglichkeiten

Das Leben fühlt sich oft nach Kampf an. Ich stelle mich gedanklich so oft in ein Netz aus Unzulänglichkeiten: nicht gut genug, nicht klug genug, nicht sozial genug, nicht geduldig genug, nicht gnädig genug, nicht weiblich genug, nicht stark genug, nicht alt genug und nicht wichtig genug. Und dann bleibe ich stehen und verfange mich in einem oder mehreren von ihnen und vielleicht zapple ich noch, versuche mich zu wehren, aber meistens bleibt etwas davon an mir hängen wie ein klebriger Schleim.

Dann wird laufen schwer, dann wird träumen schwer und noch schwerer wird es, Schritte zu tun, die ins Ungewisse führen. Je mehr ich dieses Jahr versucht habe zu träumen, umso mehr habe ich mich verheddert. Mal ging es voran. Mal hab ich aufgegeben. Mal war es okay.

Dankbarkeit

Das vergangene Jahr macht mich dankbar. Unendlich dankbar. Ich kann kaum in Worte fassen, wie schön und wie „humbling“ es sich anfühlt zurückzublicken und zu staunen, welche Schritte Gott mit mir gegangen ist.

„Humbling“ – was heißt das? Wörtlich übersetzt heißt es demütigend oder in Demut versetzend. Das ist bei uns aber oft so negativ assoziiert – und negativ meine ich es ganz und gar nicht. Und genau deswegen passt humbling für mich besser. Es beschreibt das Gefühl, wenn du zum Himmel schaust und die Sterne siehst, die endlosen Weiten des Alls nur erahnen kannst. Wenn du Berge bestaunst und die kleinsten Blättchen an Pflanzen und dann feststellst, wie groß und schön und gut Gott ist. Und dann darfst du auf dich schauen und erkennen, dass er trotzdem dich persönlich meint. Du bist ihm wichtig, der alles geschaffen hat. Dem, der die kleinste Schneeflocke zu einem atemberaubenden Meisterwerk designt hat.

So geht es mir, wenn ich die Güte sehe, die Gott über mir ausgießt und ich will dich ermutigen, sie auch in deinem Leben zu suchen. Ich weiß, dass die Zeiten schwer sind. Dinge sind teurer, Krisen erschüttern die Menschen, es gibt unsägliches Leid und auch dein ganz persönliches Leid ist real, sofern du es empfindest. Ich möchte nicht alles zudecken und durch große Worte Dinge verwaschen. Auch ich habe meine Kämpfe und sorge mich nur allzu oft.

Der Blick auf Jesus

Und trotzdem will ich loben. Und gerade dann. Am Ende dieses Jahres will ich innehalten. Ich will dankbar sein. Ich will meinen Blick nicht mehr auf die Dinge richten, die schwer sind, denn dann werde ich nicht froh. Ich will die schweren Dinge nicht ausblenden, aber ich will zuerst auf Jesus schauen, der in die Welt kommt. Zuerst auf das Licht schauen, das das Dunkel – auch das Dunkel meines Lebens und meiner Gedanken – erhellt. Auf ihn, der Hoffnung gibt. Hoffnung auf Leben.

Dann kann ich gemeinsam mit meinem Gott auf das Schwere schauen und auch klagen, trauern und kämpfen. Nur eben nicht (mehr) alleine, sondern Seite an Seite mit dem, der den Sieg schon errungen hat.

Leben ist kein Kampf

Ich schreibe oft von Kämpfen. Ganz oft, wenn ich über mich und mein Leben nachdenke, denke ich in Kämpfen. Ich muss schneller, besser, klüger, ruhiger, frommer, dünner, lieber, netter sein als. Aber als wer? Meine Mitmenschen? Ich selbst? Ich weiß es nicht. Aber ich habe erkannt: es ist nicht immer alles ein Kampf. In der Welt vielleicht. Vielleicht auch im Tierreich. Aber mein Leben muss kein Kampf sein. Ich muss nicht ständig voller Angst nach vorne blicken und den nächsten Gegner suchen. Ich muss auch nicht mit jedem konkurrieren. Ich muss nichts verdienen.

Ich darf sein. Das habe ich noch nicht richtig verstanden. Aber ich bete dafür, dass es in mein Herz rutscht.

Ich darf sein. Gott hat einen Platz für mich. Nur für mich reserviert. Ich muss ihn mir nicht erkämpfen und ich nehme ihn auch niemandem weg. Er ist für mich. Das Leben mit Jesus ist zwar oft schwierig, aber es ist kein Existenzkampf, weil er ja schon gesiegt hat. Der Tod ist entmachtet. Jesus ist auferstanden. Das ist Gnade. Ich kann Anteil haben an ihm und darf zuerst sein. In Gottes Königreich muss ich mir keinen Platz erkämpfen. Da kann ich auch nicht „nicht genug“ sein. Da kann ich einfach sein.

Advent

Am Ende dieses Jahres kann ich zurückschauen auf das, was Gott in meinem Leben getan hat und ich bin zutiefst berührt. Ich schaue auf alle Kämpfe, die ich ausgefochten habe und bin stolz, aber auch traurig darüber, dass ich immer kämpfen wollte. Ich bin dankbar. Ich will innehalten und mich darauf besinnen, wer Gott ist.

Dieses Jahr ist nicht nur um mich herum Advent. Es ist auch in meinem Herzen Advent. Jesus kommt an. Er strahlt in mein Dunkel und schafft Licht dort, wo ich ihn nie hineingelassen habe. Advent ist auch Kapitulation und Hingabe. Damit Jesus alles ausfüllt.

Ich bin so dankbar für die Advents- und Weihnachtszeit und sauge dieses Licht und diese Hoffnung in mich auf. Damit ich im Januar neu starten kann. Erfüllt. Mit meinem Blick auf Jesus gerichtet.