Vor einem Jahr schrieb ich eine Kolumne über das Schwach sein (Link zur Kolumne). Es ging darum, dass ich lernen will, mich ganz und gar – auch mit meinen Schwächen – anzunehmen. Hier folgt ein kleiner Rückblick zu den letzten Monaten.

Weiblichkeit meiden

Kleider, Absatzschuhe oder Schmuck tragen. Einfühlsam, rücksichtsvoll und emotional sein. In den letzten knapp zehn Jahren habe ich sehr viel davon gemieden. Ich hatte dem gegenüber eine Anti-Haltung entwickelt, trug fast nie Kleider, Absatzschuhe oder Schmuck. Außer es gab Anlässe, wo ich aufgefallen wäre, wenn ich das nicht getan hätte.
Vor einigen Jahren habe ich an einem Tag meinen ganzen Schmuck einfach in den Müll geworfen. Irgendwie wollte ich alles, was auf Weiblichkeit und Frau sein hindeutet, aus meinem Leben streichen. Auch Einfühlsamkeit und Rücksicht gegenüber anderen Menschen klammerte ich lange aus, zumindest tat ich nach außen hin so. Frauen, die vor Gruppen geweint haben und sich mitfühlend zeigten, habe ich als Loser abgestempelt, als unfähig und schwach. Um selbst diesem Bild nicht zu entsprechen, setzte ich alles daran nicht vor eine Gruppe von Menschen zu weinen.
Ich habe angefangen, Weiblichkeit und das Frau sein als etwas anzusehen, was ich auf jeden Fall meiden möchte. Ich sah es als eine Schwäche, mit der ich mich nicht eins machen wollte. (Mittlerweile habe ich verstanden, dass das Frau sein keine Schwäche ist und Schwäche allgemein nichts ist, was man nicht zeigen darf.) Dadurch entwickelte ich eine distanzierte, unnahbare, fast kalte Art. Ich urteilte in meinem Inneren hart über Frauen, die meiner Meinung nach Schwäche zeigten. Ich ließ keine Gnade walten. Letztlich war ich wie ein Stein, ohne wirklich echte Emotionen.
Aber woher kam das?

Weg mit der Schwäche

Ich kann es nicht genau sagen. Aber den Prozess dahin kann ich zurückverfolgen. Im Alter von 11-15 Jahren war ich sehr ängstlich und unsicher. Es verging kein Tag, an dem ich nicht geweint habe. Egal wo und wie viele Menschen dort waren, es brach dann einfach aus mir heraus. Das war anstrengend. Um knapp die Gründe für die emotionalen Ausbrüche zusammenzufassen: Meine Gedanken haben mich gequält und ich war zutiefst verunsichert und überfordert. Wahrscheinlich was das unter anderem auch der Pubertät geschuldet.
Irgendwann kam der Punkt, dass es mir wieder besser ging. Aber ich wusste, dass ich so eine Zeit nie wieder erleben wollte. Es wuchs der Wunsch in mir, stark und mutig zu sein und mich nicht unterkriegen zu lassen. Doch es entwickelte sich in ein Extrem. Das führte dazu, dass ich die vermeintlich schwachen Dinge aus meinem Leben verdrängte. Dazu gehörten eben auch die „negativen“ Emotionen, wie z.B. vor anderen Menschen zu weinen. Ebenso versuchte ich auch durch mein äußeres Auftreten stark zu wirken. Im Endeffekt strebte ich nach einem Bild von mir, dass keine Schwächen und Fehler hatte.
Vor meinem inneren Auge entstand die Vorstellung einer möglichst unabhängigen Karrierefrau mit Hosenanzug. Kontrolliert, souverän und mit einem durchtrainierten Körper. Klingt vielleicht seltsam, aber das war so. Immer stark und lieber etwas zu distanziert sein, als auch nur etwas Nähe zuzulassen. Schlechte Beziehungen und Erfahrungen ließen mich glauben, dass das ein guter Weg sei. Lange Zeit trieb mich unterbewusst dieses Bild an.

Weiblichkeit ist keine Schwäche

In den letzten zwei Jahren habe ich angefangen zu erkennen, dass ich diesem Bild in keiner Weise entspreche. Ich bin so nicht. Ich jagte damit einer Idealvorstellung nach, die einer falschen Vorstellung von mir selbst entsprach.

Manchmal denke ich über diesen Prozess der letzten Jahre nach und ich muss fast weinen, weil ich in so kurzer Zeit so viel lernen durfte. Wer ich bin und dass ich dieses Bild nicht aufrechterhalten muss. Anfangs war es schwer, mir einzugestehen, dass ich damit einem falschen Bild nachlaufe und mir und anderen falsche Stärke vorgespielt habe. Aber ich bin so dankbar, dass Jesus mir das gezeigt hat und meine Freunde mich in dieser Veränderung unterstützt haben. Meine größte Angst war (ist manchmal auch immer noch), dass ich von ihnen nicht mehr gemocht werde, wenn ich so bin, wie ich eigentlich wirklich bin. Doch es hat sich nicht bestätigt und darüber bin ich glücklich.

Frau zu sein ist nicht schwach. Auch Schwäche zu zeigen, ist nicht schwach. Eher ist es hilfreich, notwendig und stark. Jesus hat nichts gegen Schwäche und schon gar nichts gegen Frauen. Ich bin dran, die falschen Gedankenmuster weiter zu durchbrechen und froh, dass schon so viel passiert ist.