Heute habe ich folgende Aussage getroffen: „Ich hasse Menschen, die die ganze Zeit heulen.“ In dem Moment meinte ich es so. Trotzdem war ich kurz danach von mir selber schockiert. Es ist verurteilend, unreflektiert, stolz, herablassend, verletzend und nicht gerechtfertigt. Das Wort „hassen“ ist ein sehr hartes Wort. Es bedeutet tiefste Ablehnung. Wieso sage ich das?
Ist weinen schwach?
Weinende Menschen habe ich lange Zeit als schwach abgestempelt. Ich habe sie belächelt und sie dafür verurteilt, dass sie sich und ihre Emotionen nicht ausreichend unter Kontrolle haben. Das ist natürlich ganz schön willkürlich und Quatsch. Erstens, Emotionen sind nicht da, um sie zu kontrollieren. Und ich muss sie auch nicht verstecken. Zweitens, es ist nicht schlecht durch Weinen Schwäche zu zeigen. Zudem weint man ja auch nicht immer aus Schwäche. Es kann auch Freude oder berührt sein bedeuten. Drittens, ich habe kein Recht so über Menschen zu urteilen. Trotzdem habe ich diese Aussage getroffen.
Mein wunder Punkt
Irgendwie triggert es mich extrem weinende Menschen zu sehen. In den letzten Jahren habe ich mit aller Macht probiert meine Emotionen zu kontrollieren. Besonders wenn ich mit anderen Menschen zusammen war. Mein Ziel war es möglichst gut anzukommen. Fröhlich, kontrolliert und stark. „Negative“ Emotionen passten für mich nicht in das Bild der Stärke hinein. Es stellte für mich Schwäche dar. Ich tat so als hätte ich keine Angst, als müsste ich nicht weinen, als könnte mich nichts schockieren. Folglich schottete ich mich ab, ließ niemanden an mich ran. Ich verbarg nicht nur die „negativen“ Emotionen, sondern auch die echte Freude. Warum war das so?
Ich weiß es nicht so genau. In meinen frühen Teenagerjahren hatte ich weniger Probleme damit das zu zeigen, ich konnte auch vor anderen Menschen weinen. Eine Zeit lang habe ich das sogar sehr oft getan. Zu dem Zeitpunkt ging es mir ziemlich schlecht. Das führte dazu, dass ich oft an jedem beliebigen Ort anfing zu weinen. Gründe waren miese Gedanken, Überforderung, Stress, Angst. Das war natürlich nicht angenehm, aber ich zwang mich auch nicht es zurück zu halten. Später wollte ich nie wieder in diesen „Zustand“ zurückkehren. Die Zeit löst bei mir viele negative Erinnerungen aus.
Was ist passiert?
Ich glaube ich habe probiert nicht wieder in so einen „Zustand“ zu gelangen. Ein Mittel war, dass ich die Emotionen so gut es ging ausblendete. Das ist natürlich anstrengend. So wie das immer der Fall ist, wenn man sich als jemand ausgibt, der man gar nicht ist. Vor allem wusste ich, dass ich doch eigentlich emotional, manchmal nah am Wasser gebaut bin und meine Emotionen an manchen Tagen Achterbahn fahren. Doch nach außen hin probierte ich die Fassade zu bewahren. Es gab mir Kontrolle, die mir in meiner Unsicherheit das Gefühl von Sicherheit gab. Um die Fassade zu verstärken, erhob ich mich über Menschen, die mit ihren Emotionen offener umgingen.
Hält die Fassade?
Im letzten Jahr fing meine Fassade immer mehr an zu bröckeln. Einerseits bin ich dafür dankbar, da es halt sehr anstrengend sein kann. Anderseits sehe ich mich immer mehr. Wenn mir nach Weinen zumute ist und ich es auch nicht mehr schaffe es zurückzuhalten, höre ich in meinem Kopf: „Wenn du weinst, ist das schwach. Aber du willst doch stark sein. Was denken dann die Anderen?“ Ich weiß, dass es egal ist, was andere über mich denken. Und ich habe auch Menschen um mich herum, die mich immer wieder daran erinnern, dass ich die Erwartungshaltung der anderen nicht erfüllen muss.
Was zählt also?
Das was zählt (Zieh’s dir rein 😉) ist, wie Jesus über mich denkt und wie er mich sieht. Voller Liebe, Gnade und Freude. Das vergesse ich so oft und denke stattdessen in den Mustern, von denen mich Jesus schon längst befreit hat. Weinen ist nicht schwach. Ganz im Gegenteil, mittlerweile bewundere ich Menschen, die das so zeigen können. Allgemein ist Schwäche nicht schlecht. Ich sehne mich danach diese Freiheit in Jesus mehr und mehr zu erkennen und wirklich zu erleben.
Dazu gehört auch so sein zu können, wie ich bin. Das klingt so gut und einfach. Aber ich bin so anders als ich wollte und selber dachte. Also werde ich mich in nächster Zeit selber mehr kennenlernen und hoffentlich annehmen können. Das überfordert mich oft, dafür brauche ich Zeit und Ruhe. Doch ich weiß, das ist dran. Und ich bin dankbar für meine Freunde, die mich unterstützen. Vor allem aber Jesus. Er ist da, tröstet mich, motiviert mich. Danke Jesus!
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