Seien wir mal ganz ehrlich. Jede Mutter oder Vater hat schon mal die Fassung verloren und unangebracht und verletzend auf das Verhalten ihres Kindes reagiert. Das ist völlig normal und menschlich und es darf auch mal vorkommen, allerdings ist es trotzdem nicht gut.

Viele Eltern kommen zunächst gar nicht auf die Idee sich für ihr eigenes Fehlverhalten den Kindern gegenüber zu entschuldigen. Doch es sich einzugestehen und es mit dem Kind hinterher zu bereden, ist unfassbar wichtig. Es gibt sowohl dir, als auch deinem Kind, eine wertvolle Möglichkeit zu lernen und persönlich zu wachsen.

Was DU lernst, ist: dein Verhalten und die auslösenden Emotionen zu reflektieren und die darunterliegenden Glaubenssätze und eventuell traumatischen Kindheitserfahrungen zu beleuchten, zu revidieren und letztendlich zu heilen. Oft ist das Kind überhaupt nicht das Problem, sondern unsere eigenen, unaufgearbeiteten Geschichten und aufgestauten Emotionen.

Mama und Papa sind auch nur Menschen

Was DEIN KIND lernt, ist: dass Mama und Papa auch menschlich sind und dazu gehören große Gefühle und auch viele Fehler. Sie erleben, dass es sich gut anfühlt, Konflikte zu lösen, statt sie im Schweigen zu hüllen und zu ignorieren. Sie lernen selbst mehr Empathie zu entwickeln und sich bei anderen zu entschuldigen, wenn sie Fehler gemacht haben. Sie spüren, dass sie wertgeschätzt und als ganzheitliche Menschen mit Gefühlen wahrgenommen werden und dass ihre Eltern sich nicht zu schade sind, sich auf ihre Augenhöhe zu begeben.

Von Erziehung zu Beziehung

Das klingt alles sehr schön und gut, doch im Affekt ist es gar nicht so leicht das umzusetzen. Deshalb sehe ich es als zentral und unfassbar wichtig an, eine respektvolle Grundhaltung dem Kind gegenüber und den Fokus von „Erziehung“ auf „Beziehung“ zu setzten. Außerdem finde ich es wichtig meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu spüren und ernst zu nehmen.
Ich kann mich an einige heftige Konflikte mit meiner Tochter erinnern, denen viele Stunden der „Selbstaufgabe“ zugunsten dem Willen den Kindes vorausgegangene sind. Der Konflikt wurde dadurch nur verzögert aber auch heftiger. Deshalb ist ihre Reaktion auf meine plötzliche Machtübernahme verständlich und nicht ihre Schuld, es ist meine Verantwortung als Erwachsene meine Grenzen wahrzunehmen und zu bewahren und einzufordern auf eine achtsame und liebevolle Art und Weise.

Wenn jedoch alles eskaliert und ich ein tobendes und weinendes Kind vor mir habe, ist die Frage wie ich damit umgehe.

Eine ehrliche Entschuldigung

Ich könnte mich als Opfer sehen und meine Tochter als Feind, die es zu bekämpfen und bezwingen gilt. Diese Reaktion ist gar nicht so unüblich und sie ist unglaublich toxisch. Das sind dann die Alarmglocken für eine Reaktion des eigenen verletzten inneren Kindes. Rationales und emphatisches Denken ist dann so gut wie unmöglich. Es kommt dann sehr schnell zu Verhalten gegenüber dem Kind, was verletzend und beängstigend sein kann. In diesem Fall ist es unerlässlich im Nachhinein, wenn die Emotionen wieder abgeklungen sind, in Ruhe mit dem Kind über die Situation zu sprechen, zu erklären, was so frustrierend war und vor allem, dass das Kind geliebt, gewünscht, erstgenommen und gehört wird und es nicht seine Schuld ist, wenn Mama ausrastet, sondern Mama trägt dafür die Verantwortung und die Reaktion war nicht gut.

Eine ehrliche von Herzen kommende Entschuldigung ist das wertvollste, was du deinem Kind dann geben kannst. Auch wenn es nicht reagiert, hört es dich definitiv und im Herzen des Kindes wird es Wurzeln und eines Tages Früchte tragen. Das kann man auch von Anfang an machen, es gibt kein Mindestalter, das ein Kind braucht, um eine Entschuldigung von uns zu bekommen.

Alles mal von oben betrachten

Die Szene von oben zu betrachten, das Kind, die Wut und ich.. Das hilft mir immer so sehr, wenn die Gefühle hochkochen und ich frage mich dann: was geht in dieser kleinen Person gerade vor? Was frustriert sie so, was kränkt sie, was braucht sie gerade wirklich? Kinder sind nicht manipulativ, sie sind unfassbar ehrlich und wir können damit oft nicht umgehen, weil wir selbst mit unseren Emotionen als Kind nicht ernstgenommen wurden.

Außerdem hilft mir in solch aufreibenden Situationen immer, wenn ich dankbar werde. Das klingt erstmal paradox: wie, dankbar für ein tobendes Kind sein? Ja genau, denn es ist DEIN Kind, es lebt, es fühlt, es nimmt Raum ein, es hat Vertrauen in Dich, dass es ungehemmt vor dir sein und fühlen darf, es fühlt sich sicher genug und es schreit durch das Verhalten: liebst du mich trotzdem? Bin ich es dir wert, dass du trotzdem bei mir bleibst? Bin ich ok, auch mit allem was ich fühle? Ist es okay, dass ich so fühle? Siehst du mein Herz, mein Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit, nach Autonomie und Würde? Siehst du mich?

Wenn ich mit all dies vor Augen führe, sieht sie Situation plötzlich ganz anders aus und ich kann meinem Kind respektvoll begegnen und mich wenn nötig auch entschuldigen, wenn ich nicht gut reagiert habe. Dann kann aus dem Konflikt eine tiefe, gesunde Emotionale Verbindung entstehen und das ist doch wunderschön, oder?

Fragen:

  • Wie reagierst du auf große Gefühle deines Kindes?
  • Wie geht es dir mit Entschuldigungen, wenn du einen Fehler gemacht hast?
  • Was glaubst du, braucht dein Kind von dir, wenn es ausrastet?