Erinnerst du dich an meine letzte Kolumne? Ich habe über Verlust geschrieben, und darüber, wie ungern wir Verlust einen Platz in unserer Gleichung von einem guten Jahr einräumen.

Die direkte Konfrontation mit dem Tod

Ich weiß noch sehr genau, dass ich beim Schreiben der letzten Kolumne dachte, ja nicht über den Verlust von Menschen, sondern über den von Lebensabschnitten oder Erwartungen zu schreiben. Menschen zu verlieren fühlt sich für mich intensiver an, als Pläne, die ich aufgeben muss. Und ich mag es nicht zu sagen, dass sich in dem Tod einer Person immer auch etwas Gutes finden ließe, oder wir vielleicht auch mit dem Verlust eines Menschen rechnen sollten. Zu groß, zu schwer haben sich diese Gedanken für den Beitrag angefühlt. Tja, was soll ich sagen: genau am gleichen Tag, an dem der Artikel veröffentlicht wurde, klingelte mein Handy und mich erreichte plötzlich die Nachricht, dass meine Oma im Sterben lag. Und so wurde ein schön geplantes Wochenende zu einer Zeit des Abschiednehmens, des Begleitens, und schließlich starb meine Oma nach ein paar Tagen.

Da war er also, der Verlust, von dem ich ein paar Tage zuvor noch geschrieben hatte. Und dann gleich einer von der großen Sorte.

Der Tod eines Menschen kann im gesamten Umfeld der Person viel auslösen: Unbehagen, Angst vor dem eigenen Tod, Trauer, Wut, Konflikte, die vielleicht mit der Person zusammenhängen, aber auch Erinnerungen an schöne Momente. Die alten Geschichten von früher, die man sich zu erzählen beginnt – meine Oma hatte ein sehr turbulentes Leben, und es war schön, auch über die witzigen Dinge darin zu sprechen.

Was ihr Tod in mir auslöste

In mir hat der Tod meiner Oma neben Trauer auch viel Nachdenken ausgelöst – was ist mir mal wichtig, wenn ich sterbe? Kann ich eigentlich verhindern, allein zu sterben? Alt werden ist nichts für Feiglinge, schrieb Joachim Fuchsberger mal. Recht hat er. Das Lebensende anzuschauen, kann gruselig sein, denn es gibt keine Garantie, wie und wann man stirbt – und warum gehen wir eigentlich davon aus, dass uns auf dem Weg dahin nicht auch schon Dinge passieren? Wir können auch Menschen in unserem Leben verlieren: Partner*innen, Kinder, Freundschaften. Wir können Krankheiten erleben, oder Unfälle, ein Monsun kann morgen unser Haus überfluten und wir danach im Rollstuhl sitzen.

Eigentlich habe ich für nichts im Leben eine Garantie. Das Leben ist fragil, so unfassbar fragil, und es ist eigentlich fast schon absurd, sich in einer gesunden, sicheren Lage zu befinden. Diese Erkenntnis hat sich in den letzten Wochen in mir festgesetzt. Und wie auch schon in meinem letzten Artikel empfinde ich diesen Gedanken nicht als frustrierend, oder als würde ich meine Hoffnungen aufgeben – sondern eher als das Gegenteil: den Zerbruch zu sehen, oder vielleicht auch die Wahrscheinlichkeit, dass er mir begegnen kann, hilft mir, mein ständiges Suchen nach Sicherheit und mein Streben nach dem Fehlerfreien, dem Guten, aufzugeben. Denn wenn mir sowieso nichts sicher ist im Leben, kann ich mich auch hineinstürzen. Wenn sowieso klar ist, dass mir Leid und Zerbruch begegnen werden, bleibt mir denn dann eh nichts anderes übrig, als mich ins Leben zu werfen?
Okay, diese Frage klingt super kitschig. Aber was wäre die Alternative? Mich verbarrikadieren und abschotten, um unbeschadet durchzukommen? Auch nicht so cool.

Mich lässt diese Erkenntnis mutig werden, weil sie mir die Täuschung wegnimmt, in irgendwelchen Dingen auf der Welt Sicherheit, ewige Beständigkeit und Haltbarkeit zu finden, denn Spoiler: die finde ich nicht. Diese Illusion von Gewissheit und Bestimmtheit aufzugeben, macht verletzlich. Aber mich, die gerne Sicherheit und Altbewährtes hat, mich lässt sie auch losgehen und einen Satz nach vorn machen.

Näher zu Gott

Mein Leben fühlt sich im Moment sehr fragil an. Weil da gerade ein Bruch ist, weil sich in meiner Familie Dinge verändern, weil da ein großes Gefühl von Unsicherheit ist. Und gleichzeitig spüre ich darin eine große Nähe zu Gott, die vielleicht vor allem dadurch entsteht, sich dieser Unsicherheit auszusetzen. Darin fühle ich mich getragen. Darin fühlt es sich auf eine Art auch schön an, sich diese Zerbrechlichkeit anzuschauen und sie auszuhalten. Weil andere Tage trotzdem irgendwann kommen werden.