Hallo zurück aus der Sommerpause! Ich habe mich die letzten Monate sehr damit auseinandergesetzt, was es für mich bedeutet eine Frau zu sein. Ich habe darüber nachgedacht was ich gerne tue und tun möchte und wo meine Stärken liegen. Dabei habe ich auch reflektiert wo ich so stehe, wie ich handle und welche Wirkung das auf die Menschen in meinem Umfeld hat. Woran ich immer wieder hängen bleibe ist Frau-sein in Leiterschaft. Darf ich das? Wie sehr darf ich das? Bin ich überhaupt geeignet dafür? Wie viele Fehler mache ich doch jeden Tag!
Wie soll ich sein?
Wenn man in die Bibel schaut, dann findet man Unmengen an Hinweisen wie eine Frau – oder generell ein Mensch – nach Gottes Willen handeln sollte. Sanftmütig, gnädig, liebevoll, zwar bestimmt aber immer in einer ruhigen Weise. Wenn ich in meinem Umfeld schaue, dann sehe ich diese Eigenschaften in Menschen und ich bewundere sie dafür. Sie reden mit Bedacht, begegnen Anderen mit offenen, gnädigen Armen und strahlen Freude aus. Und dann denke ich ganz oft: „Ach ja, Gott ist ja genauso und noch tausendmal gütiger.“
Auf diese Leute bin ich neidisch. Ich würde gern sein, wie sie sind. Oder würde zumindest gern denken, was sie denken und sagen, was sie sagen. Ich bete so oft, dass die Worte, die ich spreche nicht Unheil bringen, sondern Leben. Ich bete oft, dass ich Menschen so sehen kann wie Gott sie sieht. Ich bete für Geduld, für Milde und für ein offenes Herz aber meine Realität sieht oft so ganz anders aus.
Die Realität
Täglich geschehen Situationen, nach denen ich mir wünsche, ich hätte Dinge nicht gesagt. Ich reagiere oft so impulsiv und irrational und kann mir nicht helfen. Dann werde ich wieder wütend auf mich selbst und gerate in einen Strudel aus Missmut. Da hört es aber nicht auf. Wenn ich fremde Menschen treffe, dann ist mein Impuls nicht mit ihnen zu reden – geschweige denn ihnen Gottes Liebe mitzugeben, etwa in Form eines Lächelns oder lieber Worte. Mein Reflex ist Flucht. Ich denke nicht: „Wie schön! Jemand, den ich kennenlernen kann.“ Ich denke meistens: „Bitte geh weg.“ Und selbst, wenn ich sozial bin, dann kommen meine Selbstzweifel raus und ich ziehe mich wieder zurück. Es gibt einige Situationen, die ich deswegen bereue.
Wut
Wenn ich mir Gedanken über den Lobpreisbereich der Gemeinde mache, dann oft kritische. Mir fällt es unfassbar schwer zuerst die guten Dinge zu sehen oder die positiven Seiten an Dingen hervorzuheben. Ich sehe nicht so gut was wir schon gemeistert haben. Ich sehe meist den Mangel. Dabei mache ich mir Gedanken darüber, was alles sein könnte und wieviel besser alles sein könnte und welche Personen woran arbeiten könnten usw. An sich nicht schlimm? Nein, ist es nicht. Aber die Art und Weise wie ich es mache, ist der weniger rühmliche Part. Anstatt mich rational mit den Dingen auseinanderzusetzen und einen Plan zu machen, rege ich mich erstmal auf. Und zwar richtig. Dann folgen gerne mal 20 Minuten, in denen ich mich nur darüber beschwere wer was blöd macht, warum ich auch doof bin und wieso sowieso alles Mist ist.
Und danach?
Dann lege ich alles wieder beiseite, um bei der nächsten Gelegenheit in den nächsten Wutausbruch zu verfallen. Das verzwickte dabei ist, dass ich mit meinen Erkenntnisse sicher gut arbeiten könnte. Ich könnte konkrete Maßnahmen entwickeln und meine Wut produktiv nutzen aber da kommen wieder die Selbstzweifel und meine Angst.
Wie gerne würde ich anstatt mich endlos über Person X aufzuregen ihr lieber in Ruhe begegnen und gemeinsam wachsen. Aber das tue ich nicht und das tut mir weh. Wie gerne würde ich Menschen willkommen heißen und sie mit offenen Armen voller Liebe aufnehmen aber das tue ich nicht. Ich drehe mich weg, lästere, suche Abstand.
Jesus
Und dann denke ich an Jesus im Tempel wie er die Tische umschubste. Wie er voll Zorn handelte und seinen Gefühlen freien Lauf ließ und in mir gibt es ein Fünkchen Freude. Bin ich dankbar für die Story! Ich will aber meine Wutausbrüche nicht damit gleichsetzen, denn ich erhebe mich ganz oft über andere und mache sie nieder. Was mir die Geschichte aber zeigt, ist dass Emotionen und auch Zorn da sein dürfen. Irgendwie sind sie normal.
Aber dann frage ich mich, ob mir Wut überhaupt zusteht. Ich bin geliebt und gerettet. Ich werde gesegnet und bin frei. Was gibt mir das Recht wütend zu sein? Womit habe ich das Recht mich zu erheben über Dinge oder Personen? Mich erheben sollte ich nicht. Und wenn ich mehr darüber nachdenke, dann kann und will ich es auch nicht. Aber für Wut kann ich nichts. Emotionen sind ja keine Wahl. Wählen kann ich wie ich mit ihnen umgehe. Irgendwie doch schön. Aber trotzdem habe ich das perfekte Bild einer Frau in meinem Kopf. Oder machen wir es noch konkreter und gruseliger – einer Frau in Leiterschaft. Ich wäre so gerne sanftmütig, zart und anmutig. Ich würde so gerne das verkörpern, was ich mir vorstelle. Stattdessen schupse ich Tische.
Der Rebell und das Pendel
Am Ende ist es wieder das Pendel, die goldene Mitte. Das, was ich bei Anderen zu sehen scheine, ist wohl genauso wenig die Wahrheit wie mein zugespitztes Bild von mir selbst. Wahrscheinlich stehen wir alle irgendwo zwischen Sanftmut und Tische-Schupsen. Und wahrscheinlich ist das auch okay. Was mir bleibt ist Annahme. Ich muss meine Emotionen fühlen, da führt kein Weg dran vorbei. Aber ich muss mich von ihnen nicht beherrschen lassen und kann entscheiden wie ich mich verhalten will. Klingt einfach. Vermutlich werde ich aber niemals damit fertig das zu lernen.
Was ich noch machen kann, ist beten. Und ich bete, dass ich Gottes Liebe mehr und mehr ausstrahlen kann. Bei all den Veränderungswünschen fällt mir aber auch eins auf: Ein Stück Rebell will ich behalten. Vielleicht sehe ich dadurch manchmal mehr und es treibt mich an. Zähmen will ich meinen Rebellen aber nicht mundtot machen. Vielleicht entspreche ich dann nicht dem gängigen Bild einer Frau oder einer Leiterin. Vielleicht haben wir aber auch alle den Rebellen in uns und dürfen das Spannungsfeld zwischen Sanftmut und Tische-Schubsen für uns entdecken und sehen, dass Gott in allem sein kann und sein will.
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