Willkommen zu Zuflucht! Sind schon 2 Wochen um? Verrückt! Heute kommt der zweite Teil von meiner Geschichte: Wie ich Christ wurde. Den ersten Teil könnt ihr hier nachlesen.

Entscheidung für Gott

Wir waren stehen geblieben bei der Frage, die E. damals in unseren Gruppenchat (also von E., K. und mir) gestellt hat und die wie ein Erdbeben durch mich durch resonierte: „Also, denkst du es ist alles Quatsch oder was meinst du?“ Sie meinte damit Gemeinde und Gottesdienst. Ich saß, vielleicht erinnerst du dich, mit einer Freundin im Enchilada, war auf einen ruhigen Abend eingestellt und plötzlich wurde mir richtig übel. Irgendwie war mir da schon bewusst, welche Tragweite diese Frage in diesem Moment hatte. Für mich gab es in diesem Moment kein vielleicht oder ein „mal sehen“. Für mich war es die Gretchenfrage und mir war klar – jetzt muss ich Stellung beziehen.

Ich wurde kreidebleich und mir rasten hunderte Gedanken durch den Kopf: „Wenn du jetzt sagst, du glaubst dran, dann denkt sie, du machst ihr alles nach.“ „Wenn du jetzt nein sagst, dann ist der Zug abgefahren.“ Das waren die zwei Hauptgedankenstränge, die sich in mir bekriegten bis ich zu der Entscheidung kam: jetzt oder nie. Meine Antwort war „Ich hab mich entschieden. Und Ja ich glaube dran.“ Woher der Mut kam? Keine Ahnung. Wusste ich etwas ernsthaft über Gott? Nö. War ich eingestellt auf eine Berg-und-Tal-Fahrt? Auch nicht. Habe ich es jemals bereut? Niemals!
Das war am 07. Juni 2015. (Ich hab nochmal nachgeguckt.)

Ein Prozess

Was mir bei meinem Nachgucken aufgefallen ist und was ich völlig vergessen hatte, ist, dass ich mir vorher schon Lobpreismusik angehört habe. Irgendwann habe ich mal in einem Anfall von Neugierde auf Spotify danach gesucht und sie mir angehört. Es war befreiend und irgendwie schön, aber mir war es auch super unangenehm. Immer, wenn ich sie gehört habe, habe ich mein Internet ausgestellt oder eine Private Session eingestellt, damit bloß keiner meiner Freunde sieht, was ich tue. Seltsam. Anscheinend habe ich mir auch Bilder mit Bibelversen auf mein Handy geladen – die habe ich zumindest auch gefunden. In mir war also schon länger ein Prozess am Laufen, den ich gar nicht richtig bemerkt habe. Im nächsten halben Jahr bin ich weiterhin mit in die Soli Deo Gemeinde, E.s Gemeinde, gegangen und habe angefangen Leute kennenzulernen und ins christliche Leben hinein zu schnuppern.

Tiefpunkt im Leben

Anfang 2016 kam dann eine Phase auf mich zu, die mich an meine emotionalen und körperlichen Grenzen gebracht hat. War es eine Depression? Keine Ahnung, aber es gab den Verdacht. Auch auf eine Panikstörung. Das ganze ging bis in den Sommer hinein. Ich ernährte mich kaum bis gar nicht, kam nicht aus dem Zimmer und versuchte mich möglichst nicht aufzugeben. Während dieser Phase bin ich nicht zur Gemeinde gegangen. Trotzdem hatte ich allmählich ein Grundvertrauen in Gott – wie auch immer das genau aussah. Aber es hat mich getragen. Der totale Tiefpunkt kam dann zeitgleich mit einem riesigen Höhepunkt: unsere USA-Reise. E. hat im September 2016 an der Montana State University in Bozeman, Montana ein Auslandssemester begonnen. K. und ich haben sie dort abgeliefert. Insgesamt waren wir 5 Wochen unterwegs. Wir sind nach New York City geflogen und haben uns dann mit Busreisen und Couchsurfing bis nach Bozeman durchgekämpft. (gekämpft ist übertrieben – es war einfach extrem geil!)

Als wir E. abgeliefert hatten, sind K. und ich über Salt Lake City und San Francisco nach Los Angeles gereist und von dort zurück nach Deutschland geflogen. Während der Zeit mussten wir uns – natürlich – die Zimmer teilen, wenn wir überhaupt separate Zimmer hatten. Für einen Menschen wie mich, der viel Zeit alleine braucht, unfassbar anstrengend. Außerdem war das Klima zwischen K. und mir schon seit Monaten ziemlich schwierig. Sie ist eine dominante Person, die auch oft sehr emotional werden kann. Ich habe mich immer ihrer Meinung gebeugt und nie Kontra gegeben. Ich wollte es ihr immer recht machen und habe dabei meine eigenen Kapazitäten völlig ignoriert. Das soll nicht heißen, dass ich alles richtig gemacht habe oder dass ich sie schlecht machen möchte. Absolut nicht. Wir sind einfach nicht gut miteinander klargekommen und wenn man dann 5 Wochen miteinander verbringt, ist es sehr nervenaufreibend. E. hat unter der Situation auch gelitten – sie stand zwischen den Stühlen. Der Fakt, dass E. dann weg war und ich ihr völlig „ausgeliefert“ (so war meine Wahrnehmung damals) brachte mich an den Abgrund. Während unserer 1,5 Wochen zu zweit habe ich mich selbst verletzt. Das hat keiner gesehen oder gemerkt. Das wollte ich auch nicht. Aber der Schmerz war so groß, dass ich nicht anders damit umzugehen wusste.

Folgenreiche Entscheidung

Als wir wieder in Deutschland waren, erinnere ich mich an einen Moment in meinem alten WG-Zimmer. Ich saß auf der Couch und dachte an das neue Semester und alles, was auf mich zukommen würde und ich dachte das erste Mal: Jetzt bin ich dran.

Die Erkenntnis hatte 2 Folgen – eine super positive und eine grausame, auf die ich absolut nicht stolz bin.

Das Negative zuerst: Ich habe den Kontakt zu K. völlig abgebrochen von einem Tag auf den nächsten. Sie hat meinen Glauben, aus meiner Sicht, nicht ernst genommen und auf meinen Emotionen „herumgetrampelt“. Anstatt das mit ihr zu klären, habe ich sie einfach fallen gelassen. Und das tut mir unglaublich leid! Ich weiß, dass ich ihr damit Wunden zugefügt habe, die sie nicht verdient und ob ich es irgendwann mal wieder gut machen kann, weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Das kann man nicht wieder gut machen. Aber ich hoffe, sie kann mir vergeben. Wir haben nie wieder ein Wort miteinander gewechselt und damals hätte ich es auch nicht gekonnt, aber heute würde ich mir wünschen, sie irgendwann nochmal um Verzeihung bitten zu können. Damals war das für mich die einzige Möglichkeit atmen zu können. Das dachte ich zumindest. Ich belasse es dabei. Das soll keine Verteidigung meiner Taten werden.

Neues Leben

Was die Entscheidung aber auch mit sich brachte, war, dass ich beschloss, die Evangeliumsgemeinde zu besuchen. Sie war anonymer als die Soli Deo, da sie größer war. Und ich als verlorene Studentin fand dort ziemlich viele andere Studenten, die mich gern in ihre Reihen aufnahmen. Außerdem beschloss ich zu Campus Connect zu gehen. Praktischerweise konnte ich da einfach mit in den Startklar, die Ersti-Veranstaltungsreihe, gehen und dort andere Leute kennenlernen, die auch „neu“ sind. Ich fand Freunde, später einen Hauskreis, bin mit einer Freundin zusammengezogen und habe mich in der Gemeinde eingelebt. Durch den Hauskreis, Campus und die Gemeinde habe ich dann immer mehr erahnen können, wer und wie Gott ist und
wie sagt man so schön: The rest is history.

Warum habe ich euch das erzählt? Ich glaube, dass es bereichernd sein kann, die Gedanken von Menschen nachzuvollziehen, die erst neu Christen geworden sind oder sich auf der Suche befinden. Viele Gedanken habe ich selbst auch schon vergessen. Sie können aber vielleicht helfen, Ängste und Verhaltensweisen anderer zu verstehen und sie ernst zu nehmen. Warum hatte ich solche Schamgefühle E. gegenüber? Warum hatte ich solche Panik vor dem Bibelvers in ihrem Zimmer? Keine Ahnung. Aber vielleicht können uns solche Perspektivwechsel neue Denkanstöße geben. Die Geschichte mit K.? Das war eine Beichte. Es war auch ein Einblick in die Schattenseiten, die so nah am Licht liegen.

Vielleicht hätte ich mir gewünscht, dass mich jemand an die Hand nimmt und mit mir die essenziellen Ideen des christlichen Glaubens durchgeht. Auch mehr Offenheit und mehr Gespräche hätten mir geholfen. Also traut euch auf Leute zuzugehen und mit ihnen zu reden. Und umgekehrt, wenn es dir so geht, wie es mir ging: Sprich Leute an!

Die Geschichte geht weiter

Ich befinde mich gerade geistlich an einem Punkt, an dem ich mir überlege, wo komme ich her und wo will ich hin. Bin ich richtig da, wo ich bin? Wo sind die Punkte auf meinem Weg, die fest stehen und an denen ich mich festhalten kann. Die Geschichte so aufzuschreiben wie sie jetzt ist, hat mir geholfen die Anfänge und mich selbst zu verstehen. Versuch das auch mal!

Und übrigens: Die Story fängt nach meiner Erzählung eigentlich erst an, denn fertig sind wir eigentlich nie, dafür ist Gott zu groß. Welch coole Erfahrung aber, seine Facetten immer mehr zu erkunden! Es lohnt sich.