Hallo ihr Lieben, willkommen zurück zu Zuflucht! Ich weiß nicht, wie es euch die letzten Wochen ergangen ist. Ich habe die Zeit, die ich alleine bin, viel dazu genutzt, nachzudenken, Dinge in meinem Leben zu sortieren und Gott zu bitten, mir zu zeigen, wo meine nächsten Schritte liegen. Und hier ist ein nächster Schritt.
Ich will euch von einer Sache erzählen, die mich bis heute verletzt und in der ich bis jetzt weder Frieden habe, noch vergeben kann. Aber das will ich lernen und ich glaube, das hier ist der erste Schritt. Ich glaube, so ausführlich habe ich da noch nie mit jemandem drüber geredet. Nicht mal mit meinen engsten Freunden. Ich glaube, es ist dran, loszulassen.

Meine Leidenschaft

Ein wichtiger Teil meines Lebens war und ist es, Musik zu hören und zu machen. Ich habe mich schon als Kleinkind auf die umgedrehten Sandalen meines Papas gestellt und angefangen zu singen. Auch als ich ein Teenager war, habe ich Nachmittage lang in meinem Zimmer Musik rauf und runter gehört. Ich konnte Musicals auswendig und habe alle Musik, die ich finden konnte, in mich aufgesaugt. Es war meine Art mich auszuleben. Mein Stückchen heile Welt und die einzige Art, in der ich wirklich meine Gefühle ausgedrückt habe. Ansonsten habe ich die nämlich immer heruntergeschluckt.

Mein größter Wunsch als Kind war es, ein Instrument zu lernen. Ich wollte so gerne Klavierspielen lernen. Oder Geige. Oder irgendein anderes Instrument. Ich wäre mit allem überglücklich gewesen. Aber das wollten meine Eltern nicht. Ich habe sie gefragt, warum. Bis heute sagen sie, sie hätten zu dem Zeitpunkt das Geld nicht gehabt. Ich glaube, das war eine Prioritätenfrage, aber das tut nichts zur Sache.
Was meine Eltern mir ermöglichen wollten, war Sport. Ich habe so viele verschiedene Dinge ausprobiert. Ein Verein nach dem anderen, aber ich hatte immer irgendwann keine Lust mehr. Mein Herz hing nicht daran.
Mein Papa war mal Leistungssportler und meine Mama ist Sportlehrerin – logisch, dass sie mich auch da sehen wollten. Für mich bleibt da die Frage, warum ein Sportverein möglich war, aber kein Musikunterricht. Das bleibt wohl unbeantwortet.

Verletzung

Als ich irgendwann ausgezogen bin und mein Bruder größer wurde, kam irgendwann der Moment, der mir so einen großen Stich ins Herz versetzt hat, dass ich jetzt kaum darüber schreiben kann.
Mein Bruder musste nie irgendwelchen Sport ausprobieren, er bekam Schlagzeugunterricht. Seitdem ich ausgezogen bin, schläft er in meinem alten Zimmer. Sein altes Zimmer ist voller Instrumente. Er hat alles bekommen, was er wollte und natürlich ist er gut darin. Er spielt Schlagzeug, Gitarre, Bass und ein bisschen Klavier. Das Zimmer heißt in meiner Familie das ‚Musikzimmer‘.

Versteht mich nicht falsch, ich freue mich unendlich für ihn! Wirklich! Aber ich kann nicht darüber nachdenken, ohne dass es mir extrem weh tut.
Ich hatte in meiner Jugend einige Zeiten, in denen es mir wirklich schlecht ging und ich habe Wege gesucht, mich aufzumuntern. Vielleicht hätte ich das besser geschafft, wenn ich ein Instrument hätte spielen können. Vielleicht wäre alles ganz anders gelaufen. Vielleicht aber auch nicht. Ich will mich nicht in Spekulationen verlieren und für immer der Frage hinterher hängen: „Was wäre wenn?“ Ich weiß nur, dass es mir immer noch weh tut und ich es nicht verarbeitet habe.
Auch meinen Eltern dafür vergeben, kann ich nicht. Ich weiß ja, dass sie es nicht mit Absicht gemacht haben und nicht wussten, wie schlimm das für mich eines Tages werden würde. Eigentlich war ich mir nie darüber bewusst, wie sehr mich das beeinflusst hat. Bis ich Christ wurde.

Gottes Plan

Direkt am Anfang als ich erst ein paar Wochen Christ war, kann ich mich erinnern gedacht zu haben: „Das möchte ich auch machen! Ich will auch Lobpreis machen.“ Eigentlich ein super komischer Gedanke für meine Verhältnisse damals; ich war nämlich schüchtern, wollte gern in der Masse versinken und war mit mir völlig im Unreinen. Aber irgendwas in mir hat sich angefangen wieder zu regen. Gott hat dann gesagt: „Warte! Noch nicht!“ Und das war auch genau richtig so. Ich war ja gerade erst Christ, hatte kaum Ahnung worauf ich mich mit Jesus eingelassen habe und musste erstmal erste Glaubensschritte gehen.
2,5 Jahre später hat dann Gott gesagt: „Jetzt!“ Und ziemlich direkt darauf war ich in meiner ersten Band. Das ist jetzt auch 2,5 Jahre her und mittlerweile leite ich selbst eine Band. Innerhalb der letzten Monate und Jahre durfte ich extrem wachsen und ich bin so dankbar dafür. Ich genieße jeden Augenblick.
Wie ist jetzt der Zusammenhang zu meiner Geschichte?

Zwischen Trauer und Triumph

Lobpreis ist für mich noch immer bittersüß. Manchmal habe ich das Gefühl, ich genieße es vielleicht noch mehr oder weiß es noch mehr zu schätzen, weil ich so lange warten musste bis herauskam, was schon immer in mir geschlummert hat. Trotzdem bekomme ich manchmal einen Kloß im Hals, bin von Unterhaltungen darüber, wer welche Instrumente spielt, genervt oder darf nicht zu lange nachdenken, um nicht traurig zu werden. Und genau das will ich loswerden.

Ich glaube, dass ich Lobpreis machen soll, dass Gott mich da haben will. Ich will ihn aber in Freiheit anbeten können und ihm alles geben, was mich davon trennt.
Das fällt mir so schwer. Es tut mir erstens so weh, dass ich mich damit nicht beschäftigen will. Und zweitens ist es mir unglaublich peinlich mit anderen Leuten darüber zu reden. Wie kann ich mich denn von so einer Lappalie so sehr beherrschen lassen? Du kannst kein Instrument spielen? Wow, das geht vermutlich den meisten Menschen so.
Es ist mir peinlich, wie sehr es mich verletzt. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das Wochen nach einem Einkauf immer noch darüber heult, dass es einen Bonbon nicht bekommen hat. Vielleicht ist es auch so. Vielleicht habe ich mich hochgeschaukelt. Aber ich glaube, dass auch meine Gefühle ihre Berechtigung haben und egal wie klein ein Anlass ist, die Schmerzen können trotzdem groß sein. Um mit ihnen umgehen zu lernen, habe ich euch davon erzählt.

Mut zur Vergebung

Es gibt einen Lichtblick, den ich hinter all dem sehe. Gott hat mich vielleicht von Anfang an dazu ausgesucht, ihm Musik zu spielen. Dann haben die Umstände das verhindert oder mich davon abgebracht, das zu erkennen. Aber eins weiß ich: Gott geht seinen Weg mit uns. Er hat mich ja auch wieder ‚eingesammelt‘ und in die richtige Richtung geführt. Gott kommt mit unseren Fehlern klar und auch mit den Fehlern anderer Leute. Ich glaube, dass Gott immer einen Plan und immer einen Ausweg hat und wir können das nicht verhindern, egal wie sehr wir es versuchen.

Vielleicht hast du auch einen Punkt, der dich so sehr gefangen hält, dass du nicht vergeben kannst oder willst. Vielleicht hält er dich davon ab, Gottes Plan zu leben. Trau dich. Es tut weh, glaub mir. Und schön ist es auch nicht – ich habe beim Schreiben gerade Rotz und Wasser geheult. Aber ich glaube, es liegt Segen auf Verletzlichkeit, Offenheit und Vergebung.