Willkommen zurück zu “Zuflucht“! Ich bin Marie und ich fühle mich so erfüllt, befreit und lebendig wie selten zuvor.

Warum? Ich beginne mal weiter vorne.

Winter

Ich studiere. Schon so lange, dass ich mich kaum daran erinnern kann, wie es ist, wenn man nicht studiert. Ganz oft habe ich mich darin gefangen gefühlt, weil es einfach nicht vorwärts ging und ich in einem ewigen Strudel aus Modulen und Prüfungen festhing. Die letzten 2 Jahre ging es aber trotzdem vorwärts, wenn ich es auch nicht wirklich sehen wollte. Aus der Formulierung “ich hänge fest“ kann man schon alles ablesen, was diese Phase für mich bedeutet hat: Gefangenschaft und Opferhaltung. Als säße ich in meinem selbst gebauten Käfig ohne Ahnung, dass ich ihn je verlassen könnte. Klar habe ich mit dem Gedanken gespielt abzubrechen. Aber was dann? Und wenn ich ehrlich bin, lerne ich viel, was ich auch über das Lehrersein hinaus anwenden kann.

Ich hing also fest und die Jahre kamen und gingen. Irgendwann befand ich mich im September 2022 auf dem Rückweg aus Merseburg, wo ich gerade mein Praktikum absolvierte und ich wagte das gefühlt Unmögliche: Ich informierte mich zu den Terminen des Staatsexamens in den nächsten Semestern und rechnete durch, wann was für mich realistisch sein könnte.

Das klingt jetzt banal, aber ich stand da, mein Herz sprang mir vor Aufregung fast aus der Brust und mir wurde schlecht.

Der erste Schritt

Was tat ich? Ich blickte in die Zukunft. Wenn du meine Kolumnen öfter liest, ist dir sicherlich schon begegnet, dass alles, was mit der Zukunft und dem Träumen zusammenhängt, unheimlich gruselig für mich ist. Die Zukunft ist ungewiss, sie ist unbestimmt und sie macht mir Angst. Ich liebe Sicherheiten und meine persönliche Opferrolle fand ist eigentlich auch ganz komfortabel.

Und trotzdem war es längst überfällig mir eine Perspektive für die Zukunft zu überlegen und mich darum zu kümmern, wann ich mein Examen machen könnte.

Danach fühlte sich alles komisch an. Es gab also einen Plan. Seltsam. Die Zukunft würde also wirklich passieren. Alle Ängste wurden größer und gleichzeitig im Stress meines Praktikums erstickt, sodass ich erstmal ca. 3 Wochen keinen Gedanken mehr daran verlor.

Ich beendete mein Praktikum, hatte eine Woche frei und besuchte Claires “Vom wilden Herzen einer Frau“-Retreat (Shoutout!). Und irgendwo auf dem Weg zwischen Anstrengung, Erholung und Unsicherheit kristallisierte sich ein Gedanke heraus:

Ich habe ein Jahr und es ist ein Geschenk an mich.

Kurze Erklärung: In einem Jahr, also Oktober 2023, werde ich meine Abschlussprüfungen schreiben und bis dahin habe ich noch einige Dinge zu erledigen. Ich muss noch meine Abschlussarbeit und ein paar Hausarbeiten schreiben und lernen usw. Trotzdem ist es ein ganzes Jahr, das freier gestaltbar ist, weil ich viel selbstorganisiert und auf meine eigene Art und Weise machen kann.

Ich habe also ein Jahr und ich habe das Gefühl, dass Gott es mir schenkt und ich damit gut umgehen soll. Ich darf mich selbst besser kennenlernen und gute Entscheidungen für die Zukunft treffen.

Zukunft

Natürlich endet nicht alles mit meinem Abschluss. Danach geht es für mich auf die eine oder andere Weise weiter. Und genau das ist ein Teil, den ich im kommenden Jahr ergründen will. Mein Leben lang habe ich mich auf Sicherheiten verlassen und war nie die Person, die die verrücktesten Ideen hat. Nach meinem Studium gehe ich ins Referendariat. Das war jahrelang klar.

Jetzt ist es das nicht mehr.

Träumen macht Angst und in sich selbst hineinhören macht Angst. In den letzten Monaten habe ich mich immer mehr getraut hinzuhören und was ich gehört habe, wirft Vieles durcheinander.

Lehrerin sein? Das ist schon in Ordnung. Das kann ich und vielleicht ist es auch ein schöner Beruf. Wenn ich aber ehrlich bin, dann sehne ich mich nach etwas Anderem.
Ich sehne mich danach Veränderungen in Menschen zu sehen, hier und da Konzepte zu optimieren und mein Wissen weiterzugeben. Und eigentlich sehe ich mich nicht in der Schule. Zumindest nicht für immer. Eine Freundin sagte zu mir: “Vielleicht ist die Schule zu klein für dich.“ Und dieser Satz geht mir seitdem nach.
Ich weiß, das kann man auch überheblich hören aber so meine ich es nicht. Meine Ideen und Träume sind weiter als es ein Schulalltag zulassen würde.

Was will ich konkret machen? Ich weiß es noch nicht, aber ich habe die Zeit es herauszufinden.

Neid

Besonders seitdem ich Christ bin, bin ich neidisch. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich Menschen nichts gönne und auf sie herabschaue. In der letzten Zeit habe ich bemerkt, dass es eine Sache gibt, die mich am meisten triggert: Wenn Menschen in ihrer Berufung leben. Ich würde gerne sagen, dass ich mich für sie freue, aber wenn ich ehrlich bin, hab ich mindestens genauso viel Groll. Als würde ihr Glück meins mindern. Als würde für mich nichts übrig bleiben. Das macht mich traurig und ich will mich ändern. Das Problem liegt in mir drin. Ich habe Angst, mich meinen Träumen und Begabungen zu stellen und projiziere das auf die Leute, die es tun. Vielleicht zeigt das umso mehr, dass ich mich so sehr danach sehne, auch so frei und mutig zu leben.

Was hält mich zurück?

Ich habe mir vorgenommen Dinge zu erkunden und auf Gott und seine Ideen für mich zu hören. Aber es gibt so viele Argumente das nicht zu tun. Wie oben schon erwähnt: Ich liebe Sicherheit – finanziell und sozial.

Ich wünschte es wäre nicht so, aber ich denke regelmäßig: “Dann werde ich eben Lehrerin, dann hab ich wenigstens Geld.“ Es widert mich an das nur zu lesen. Ist Gott nicht mein Versorger? Glaube ich das wirklich?

Außerdem geben geregelte Bahnen auch Sicherheit. Als Lehrerin würde ich vermutlich verbeamtet werden, dann wäre die Karrieresache geklärt, ich wäre ein produktiver Teil der Gesellschaft und ich könnte ganz normal in der Masse untergehen. Eine Menge Vorteile. Nur kommen sie nicht aus der richtigen Motivation.

Gegen diese Ängste und vermeintlichen Vorteile kämpfe ich schon eine ganze Weile. Neulich habe ich in mein Büchlein geschrieben:

“Wenn Jesus immer da ist und ich bei ihm sicher bin, dann kann ich als Christ doch viel mutiger sei als ohne ihn.“

Ich bete, dass ich das immer mehr glauben und in meinem Herzen verstehen kann.

Für jede vermeintliche Sicherheit der Welt und jede Angst hat Gott eine Antwort, die alles sprengt, weil er allein meine Sicherheit ist. Und je mehr ich das verstehe, desto freier fühle ich mich.

Frühling 

Nachdem ich also die ersten Schritte aufs Wasser gewagt habe und jetzt weiß, dass Gott mich mit einem Jahr voller Ideen und Raum zum Ausprobieren segnet und seine Wahrheiten ganz langsam immer tiefer in mir Wurzeln schlagen, fühlt es sich an, als könnte ich tiefer einatmen als jemals zuvor. Ich fühle mich frei. Klar hab ich Angst. Klar wird am Ende nicht alles geklärt sein, aber ich traue mich das erste Mal meine Träume zuzulassen und sie wachsen zu lassen. Ich führe Gespräche, teile meine Gedanken und merke, wie sie wie kleine Samenkörner gestreut werden mit dem Potenzial riesig groß zu werden. Ich fühle mich immer noch ein bisschen als würde ich das alles nicht verdienen, aber ich halte Gottes Wahrheiten dagegen und will ohne Kompromisse tun, was er sagt. Und ich fühle mich als würde ich übersprudeln. Voller Ideen und voller Hoffnung. Und es fühlt sich an wie Frühling nach einem viel zu langen Winter. Der Schnee schmilzt immer mehr und die ersten Pflänzchen wachsen. Ich kann es kaum erwarten, wenn es Sommer wird!