Ich fahre eigentlich unfassbar gerne Bahn. Mein Verlobter und ich lieben es stundenlang nebeneinander zu sitzen, immer wieder über verschiedene Themen zu reden und zwischendurch die Nase in Bücher zu stecken oder Musik zu hören. Die Welt zieht währenddessen am Fenster vorbei und irgendwann sind wir an einem anderen Ort angekommen. Das einzige Szenario in dem ich meine Freude am Bahnfahren verliere ist bei Verspätung.

Sturm

Wir hatten im Oktober noch eine Verlobungsfeier geplant bei der sich auch unsere Familien zum ersten Mal kennenlernen sollten. Durchaus eine wichtige Angelegenheit. Leider hatte das Wetter für unseren Reisetag „Sturm“ entschieden. Schon alleine aus Halle loszukommen wurde zu einer dreistündigen Herausforderung. Wir liefen in der Zeit mindestens 5 Mal den Bahnsteig hoch und runter, um am Ende wieder “Zug fällt aus” auf der Anzeigetafel zu lesen. Zwischendurch verbrachten wir Zeit in verschiedenen Cafés und entschieden schließlich in irgendeine Bahn Richtung Heimat zu steigen. Nach 11 Stunden Reisezeit und der Hilfe eines lieben Freundes, der uns nachts vom Bahnhof abgeholt hat, kamen wir schließlich an.

Eine Frage der Perspektive

Wenn ich diese Geschichte selbst lese, wundere ich mich immer noch, warum die Stimmung nicht total im Keller gewesen ist. Verspätung treibt uns normalerweise beide in den Wahnsinn. Doch an diesem Tag hatten wir entschieden, uns die Freude nicht nehmen zu lassen. Manchmal haben wir keinen Einfluss darauf, welche Dinge uns im Leben passieren, aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen.

Statt uns aufzuregen, haben wir schöne Stunden im Cafe verbracht – Kaffee und Kuchen haben definitiv zur Verbesserung der Stimmung beigetragen – und waren so dankbar dafür, Freunde zu haben, die wortwörtlich Extrameilen fahren, um uns nachhause zu bekommen. Wir lachten als unser Gleis erneut verschoben wurde, über noch eine Treppe, die wir hoch und wieder runter gegangen waren und freuten uns über jede Zugverbindung, die wir erreichten. Die langsamen Bahnfahrten nutzen wir um Hörspiele zu hören und immer wieder zwischendurch zur Ruhe zu kommen. Ich bin müde, aber so dankbar, ins Bett gegangen. Es war eine Frage der Perspektive.

„Auch in deinem Sturm stecken wunderbare Momente.“

Dieser kleine Zwischenfall hat mich mal wieder daran erinnert, dass ich die Möglichkeit habe zu entscheiden: Will ich den Sturm sehen oder habe ich Augen für das Schöne, was Gott auch im Sturm tun kann?
Hätte ich direkt am Anfang entschieden in Stress und Ärger über die Umstände zu verfallen, so wäre mein Herz nicht offen dafür gewesen, die Reise zu genießen. Ich wünsche Dir heute, dass du deinem nächsten Sturm – egal ob groß oder klein – entgegentreten kannst und wissen darfst: Du kannst entscheiden, dem Wind entgegen zu pusten und im Regen zu tanzen. Auch in deinem Sturm stecken wunderbare Momente. Vergiss nicht, nach ihnen Ausschau zu halten.