Wie jedes Jahr habe ich Gott nach einem Wort für 2021 gefragt. Sozusagen als Überschrift und Wegweiser. Dieses Jahr ist es – wie der Titel vermuten lässt Zugehörigkeit. Eigentlich ist es das englische Wort belonging. Ich rede mit Gott fast immer nur englisch und das Wort belonging hat meiner Meinung nach eine viel größere Tiefe und Schönheit als das Wort Zugehörigkeit. Belonging ist was ganzheitliches, lebendiges, sehnendes. Be-LONGING. Sich sehnen, Leidenschaft spüren. Ich möchte Teil von etwas Großem sein.
Die Angst vor dem Alleinsein
Mir war tatsächlich nicht bewusst wie wichtig es mir ist, dazuzugehören. Schon immer. Dahinter stand lange die Angst vor Ausgrenzung und Alleinsein. Als Jugendliche waren so gut wie alle Dummheiten, die ich gemacht habe (und es waren nicht wenige), aus dem einzigen Grund: dazuzugehören. Doch auch bis heute ertappe ich mich nicht nur in angeregten Diskussionen dabei, meinen eigenen Standpunkt nicht zu verteidigen, sondern immer die Grenzen meiner Meinung verschwimmen zu lassen und mich in Richtung meiner Gesprächspartner zu lehnen. Wenn sie mir widersprechen, stimme ich ihnen sogar ganz oft zu, obwohl ich zuvor noch was anderes gesagt hatte. Wer ich dabei wirklich bin und was ich denke, ist dann so gut wie unerkennbar. Weiß ich überhaupt selbst wer ich bin und was mein Standpunkt ist, oder versuche ich mich anzupassen?
Ich habe bisher angepasst sein mit Zugehörigkeit verwechselt. Wenn ich anderen ähnlich bin, akzeptieren sie mich, mögen mich vielleicht sogar. Tatsächlich steht Angepasstheit wahrer Zugehörigkeit im Weg. Wenn ich mich anpasse, um mich zugehörig zu fühlen, verbiege und verändere ich mein wahres Ich und werde dann „ein Teil der Gruppe“, bin nicht mehr ich, sondern eine verzerrte, unechte Version meiner selbst. Das Sehnen nach wahrer Zugehörigkeit wird dadurch nicht annähernd erfüllt und ich denke dann vielleicht, ich muss mich einfach noch mehr anpassen, noch mehr Bestätigung anderer suchen und mein wahres, kantiges, ungeschliffenes selbst immer mehr verstecken.
Doch weil ich das letzte Jahr ganz intensive Schatten- und „Innere Kind“-Arbeit gemacht habe, habe ich erkannt, dass diese vermeintlich unbeliebten Aspekte meiner selbst gerade die sind, die am meisten Liebe brauchen.
Ein Gefühl von Einsamkeit
Wenn ich sie verstecke und wegsperre, schreit mein Herz permanent nach Liebe, egal von wie vielen Menschen ich umgeben bin. Das kann dann in ganz tiefer Einsamkeit enden, die ich zum Teil auch in den letzten Jahren verspürt habe. Ich habe mich sogar für diese Einsamkeit, die ich empfinde, geschämt, weil ich dachte, das darf ich doch nicht, ich habe schließlich einen ehrlichen, liebenden Ehemann und zwei Kinder immer um mich, mehrere tiefe Freundschaften, eine wundervolle Schwester, Eltern mit denen ich über echte Themen des Herzens reden kann..
Trotzdem blieb dieses Gefühl einsam zu sein. Ich habe es oft in der Gemeinde (in der ich bald 10 Jahre aktiv bin) gefühlt, sodass ich oft drauf und dran war eine neue Gemeinde zu suchen. Da ich Smalltalk überhaupt nicht mag, waren Begegnungen mit flüchtigen Bekannten oft so unangenehm und so gut wie all meine richtig tiefen Freunde sind nicht mehr in der Gemeinde. Worüber ich mehr als dankbar bin, ist meine wunderbare Hausgemeinde, doch auch da halte ich noch sehr viel meines Herzens zurück und auch wenn es toll ist, dass wir uns trotz der Kontakbeschränkungen online treffen, kann ich dadurch so gut wie gar nicht auf tiefer Ebene in Verbindung gehen. Wenn ich von der Angst abgelehnt zu werden bewegt werde und dadurch mein wahres Ich verstecke, wird die Sehnsucht dazuzugehören nicht gestillt werden können.
Ich selbst sein
Jetzt wo Gott seinen Finger auf dieses Thema in meinem Leben legt, macht so vieles Sinn. So vieles deutet auf diese Baustelle hin. Wahre Zugehörigkeit kann nur erlangt werden, wenn ich voll und ganz ich selbst bin, mit allem was dazu gehört. Wenn ich mich nicht verstecke und nicht verstelle. Wenn ich die Schatten und die Wunden zeigen kann und ich auch mein Herz, meine Leidenschaft, meine Verletzlichkeit und meine Schönheit zeigen kann. Und als die, die ich wirklich bin, gesehen und geliebt werde.
Fragen:
- Fühlst du dich zugehörig?
- Wo kannst du ganz wahrhaftig du selbst sein?
- Wie gehst du mit Einsamkeit um?
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