Vor einer Weile habe ich Gott eine Frage gestellt: Warum bin ich so schwach?
Es war auf viele Aspekte bezogen, die mich zu der Zeit gerade störten. Mich störte der Mangel an Disziplin, Geduld, Nerven, Mut, Klarheit, Direktheit, Widerstandsfähigkeit, körperliche Gesundheit, Selbstsicherheit und vielem mehr. Es war eine Frage aus Frust gestellt. Doch mit der Antwort die sofort danach kam, hätte ich nicht gerechnet: „Claire, du ahnst gar nicht wie stark du eigentlich bist.“ Mir schossen Tränen in die Augen, weil ich ganz tief in mir wusste, wie wahr das ist und wie weit ich mich davon entfernt fühlte. Durch so viele Umstände, Verhaltensweisen, Angewohnheiten wurde mein Kern ganz verschüttet, ich hatte nichts mehr von meiner Stärke vor Augen.

In dem Moment erinnerte ich mich an etwas, was mein Vater mir durch meine Kindheit und Jugend mehrmals erzählt hat: Als Neugeborene war ich mehrere Wochen auf der Intensivstation aufgrund einer spät bemerkten Blutvergiftung. Nach der Genesung verweigerte ich jegliche Nahrung, selbst aus der Sonde kam alles wieder hoch, daher war ich mit ca. einem Jahr für mein Alter deutlich zu klein und untergewichtig. Die Ärzte wollten mich deshalb um meinen ersten Geburtstag herum ins Krankenhaus einweisen. Mein Vater aber sah in diesem zerbrechlich wirkendem Mädchen bereits eine enorme Stärke. Nicht nur, dass ich eine ernsthaft lebensbedrohliche Krankheit überstanden hatte, sondern auch, dass ich eine enorme Kraft in diesen zarten Fingern und Armen entwickeln konnte. Ich hielt mich an den beiden Zeigefingern meines Vater so fest, dass er mich so hochheben konnte und wenn man mir etwas in die Hand gab, hielt ich es so fest, dass selbst er es nicht mehr aus meiner Hand bekommen konnte. Er demonstrierte es sogar vor dem Arzt, den dass letztendlich auch überzeugte, und es mir ansonsten auch gut ging und meine sonstige Entwicklung nicht verzögert war.

Mein Vater sagte dann immer zu mir: „Du warst unglaublich stark für dein Alter und ich wusste, du wirst du einer unglaublich starken Frau heranwachsen, vor der der Teufel erzittern wird, weshalb er dich auch gleich zu Beginn loswerden wollte.“ Ich hatte diese Geschichte bis zu dem Moment komplett vergessen, doch plötzlich fluteten die Worte meines Vaters wieder in mein Gedächtnis und mir wurde bewusst, dass ich schwach bin, war eine ganz direkte Lüge, die ich so lange geglaubt habe. Irgendwas zerbrach in mir in dem Moment der Realisation, dass ich doch stark bin. Es waren lange aufgebaute Lügenkonstrukte.

Sich für schwach zu halten hat weitaus mehr Konsequenzen, als man erstmal denkt. Wenn ich mich für schwach halte, bin ich weniger mutig, ich packe nicht mit an, vor allem, wenn es meine Kapazitäten scheinbar übersteigt. Ich halte mich im Hintergrund, denke nichts geben zu können und gebe deutlich früher auf als ich eigentlich könnte.

Wer das alles zum Ziel hat ist eigentlich ganz klar, doch warum fällt es uns so viel leichter auf die Lügen der Finsternis zu hören, als auf Gottes Wahrheiten? Und bedeutet das jetzt, das ich durchweg stark bin, beziehungsweise sein muss und das einfach nur erkennen muss? Sicher nicht. Das wäre unmenschlich und würde bestimmt irgendwann in Übermut münden. Eine sehr spannende Bibelstelle dazu steht im 2. Korintherbrief:

Doch der Herr hat zu mir gesagt: »Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung.« Daher will ich nun mit größter Freude und mehr als alles andere meine Schwachheiten rühmen, weil dann die Kraft von Christus in mir wohnt.

– 2. Korinther 12, 9 (NGÜ)

Ich bin zwar stark, aber meine Stärke kommt nicht aus mir heraus. Ich hab sie mir nicht irgendwie angeeignet, trainiert, gelernt, erkämpft. Meine Stärke kommt durch meinen Gott, der in mir lebt und wirkt und gerade da, wo meine menschliche Natur schwächelt, wo ich Angst habe und abgelenkt werde. Da kann Gott mich stark machen. Denn wenn wir unsere Schwäche nicht vertuschen, aber uns auch nicht darin ausruhen, sind wir bereit durch Ihn stark zu sein.

  1. Siehst du dich selbst als stark?
  2. In welchen Momenten deines Lebens hast du Gottes Wirken am meisten gespürt?
  3. Gibt es etwas, was deine Kapazitäten scheinbar übersteigt, aber du fühlst dich dorthin gerufen?