Ihr lieben, treuen oder neuen Leserinnen,
ich habe hier einige Jahre schon mehr oder weniger regelmäßig meine Gedanken, Prozesse, Gelerntes, Erfahrungen, Schweres und Leichtes geteilt und möchte das auch weiterhin gerne tun. Ich muss ehrlich sein, dieses Jahr war es für mich besonders schwer, Texte rechtzeitig fertig zu bekommen und so oft fiel es in meinem Kopf einfach runter, weil ich viel zu viel zur gleichen Zeit im Sinn hatte, was mich beschäftigte. Eigentlich ist das Schreiben für mich ein Ventil, ein Ablassen von Gedankenknäueln, die beim Schreiben plötzlich klar erschienen.
Doch manchmal ist es so, dass genau das, was einem guttut, am schwersten fällt, wenn es einem gerade nicht gut geht. Und mir ging es dieses Jahr oft nicht gut, was verschiedene Gründe hat. Vor allem, weil ich in einem sehr wichtigen Prozess stehe und immer noch sehr viel Schmerz aufgedeckt wird, ich an den Kern meiner chronischen Stresssymptome komme und lerne meine Grenzen wirklich zu setzten und zu bewahren.
„Eine Angst, dass es zu gut klappt.“
Ich habe so vieles, was ich für meine Frauenarbeit »Vom wilden Herzen« machen sollte, schleifen lassen, weil da auch eine große Angst mitschwingt. Es klingt zwar komisch, aber es ist die Angst, dass es zu gut klappt und mich überfordern könnte; eine Angst, dass ich es wirklich zu meinem Job machen könnte und ich meinen bisherigen, sicheren Job dafür aufgeben müsste. Ich habe wirklich Angst selbstständig tätig zu sein: Finanzamt, Steuern, Buchhaltung… da bekomme ich schon Herzrasen beim Drüber-nachdenken. Deshalb habe ich es immer wieder vermieden ernst zu machen, was mein Mann Sascha sehr kritisiert, aber ich fühle mich da gerade wie gelähmt.
Das Retreat im Januar habe ich zu einer extrem emotional aufgewühlten Zeit gemacht und das war auch nur möglich, weil ich es gemeinsam mit einer Bekannten geplant habe und auch wirklich umsetzen wollte. Aber es war so angefochten. Ich hatte am Abend zuvor so viele überwältigende Gefühle auf einmal. Trotzdem war der Tag wunderschön und ich war so erfüllt und lebendig bei dem, was ich gemacht habe. Wenn das Drumherum nicht wäre, würde ich nichts anderes machen wollen als solche Retreats und auch Frauenkreise planen und durchführen.
„Mein Herz kam dort nicht an.“
Was mich noch sehr beschäftigt hat, in den letzten Monaten, in denen es hier bei meinen Texten so still war, war der erneute Gemeindewechsel, bzw. das Zurückkehren in die Gemeinde, in der ich von Anfang an, als ich nach Halle kam, war. Es war schwer, weil ich über ein Jahr lang mühsam Verbindungen zu den Leuten in der anderen Gemeinde aufgebaut hatte, mehrere ehrenamtliche Jobs übernahm, Geld investiere, eine eigene Gruppe leitete… trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dort ruhen zu können. Es gab viele unfassbar schöne, tiefe, bewegende, befreiende Gottesbegegnungen und Gebete und Gespräche mit den Menschen dort, für die ich für immer dankbar sein werde, doch mein Herz kam dort nicht an, nicht als mein geistliches Zuhause.
Mein Stresslevel war so schon sehr hoch, durch Herausforderungen im Job, der mir einfach so viel abverlangte an Kraft und Zeit, die genannten Struggles mit meiner Selbstständigkeit, das viele vor mich herschrieben von wichtigen Erledigungen, gesundheitliche Probleme, Konflikte mit meinem Mann, keine Zeit mehr für eine ordentliche Wohnung zu sorgen und zugleich extrem davon gestresst zu sein, dass überall was liegt und dringend gesaugt werden muss und das gefühlt jeden Tag.
In dieser Gemeinde zu sein, die darüber hinaus ein sehr engagiertes, motiviertes, Mitarbeiten verlangt, konnte ich nicht mehr stemmen. Es wurde mir zu viel. Das war eine wichtige Grenze, die ich ziehen musste. Mein Mann war schon lange klar der Meinung, dass wir dort nicht hingehören, er fühlte sich dort absolut nicht wohl und das ließ uns auch gemeinsam die Entscheidung treffen, wieder in unsere Ursprungsgemeinde zu gehen. Das allein ließ so viel Stress abfallen.
Ich habe jetzt wieder das tiefe Gefühl des bedingungslosen Angenommen-seins und das brauchte mein Herz so sehr in dieser turbulenten Zeit. Ich liebe es, wie Gott derselbe ist, hier und dort und auch in der Stille im Wald.
Gerade das genieße ich seit diesem Jahr ganz neu, die „Gottesdienste“ ganz ohne Kirche und Pastor und Musik, sondern in der Natur, allein oder mit meiner Tochter. Gottes Gegenwart ist da, egal, wo, egal, wie ich drauf bin. Egal, was ich tue oder lasse und das genieße ich gerade ganz neu.
„Dieser Schritt hat mich unfassbar viel Mut gekostet.“
Was noch zu einer großen Veränderung in mir geführt hat, war mein Jobwechsel im April. Ich verließ das Team des ambulant betreuten Wohnens und bin zum begleitenden Dienst in eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung gewechselt, um dort als traumasensibel ausgebildete, psychologische Fachkraft den Beschäftigten und den Gruppenleitern zu Seite zu stehen. Dieser Schritt hat mich unfassbar viel Mut gekostet, aber es war so wichtig und ich merke schon, wie Spannung und Stress von Tag zu Tag abfallen und ich immer mehr in mir und meinen Begabungen ruhen kann, auch in meiner Arbeit.
Deshalb bin ich insgesamt so dankbar für die letzten Monate, auch wenn sie alles andere als leicht waren. Ich habe mich als Mensch so sehr entwickelt, bin gewachsen und habe mich viel besser kennengelernt. Es gibt also vieles, wofür ich dankbar bin und hoffe, dass ich jetzt öfter an die Deadline für die Texte hier denke, weil ich auch jetzt beim Schreiben merke, wie gut mir das tut.
Danke fürs Lesen, wenn du bis hier gekommen bist und nimm diese Worte als Ermutigung, wenn du lange mit einer schweren Entscheidung gehadert hast, es zu machen. Also das, was risikoreich zu sein scheint, aber dein Herz nicht so ganz zur Ruhe kommt, bis du diesen Schritt gegangen bist. Gehe einen mutigen Schritt nach vorne, oft ist das der wichtigste Schritt von allen.
Fragen:
- Was nimmt dir gerade deine Energie?
- Wofür hättest du gerne mehr Zeit?
- Wo steckt du gerade fest und weißt, was es an Mut kostet, den ersten Schritt zu machen?
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