Worte können nicht annähernd beschreiben, wie es ist, wenn das eigene Kind im eigenen Körper aufhört zu leben. Diese Erfahrung machen sehr viele Frauen, das wurde mir erst bewusst als es mir vor wenigen Wochen auch passierte.
Als ich bei einer Routineuntersuchung erfuhr, dass das Herzchen nicht mehr schlug, strömten sofort tausend Fragen in meinen Kopf und ich verstand nichts mehr. Mein Blick richtete sich voll Wut, Trauer und Unverständnis an Gott. Ist er nicht allmächtig? Warum wurde diesem Wesen, unserem zweiten Kind, das Leben verwehrt?
Doch in dieser Zeit sprach Gott auf vielen Wegen tief in mein Herz und mir wurde in dem Prozess etwas unfassbar wichtiges bewusst: Gott ist ein Gott des Lebens und Gott ist immer gut. Wenn etwas Tragisches auf dieser Welt passiert, ist Gott nicht automatisch Schuld. Und zu sagen, dass Gott etwas zulässt oder gar bewirkt, ist im Endeffekt das Selbe. Ich werde auf diesen Gedanken in der nächsten Ausgabe näher eingehen, doch vorerst möchte ich hier etwas Wunderschönes teilen, nämlich wie ich in dieser schweren Situation von Gott getröstet und geheilt wurde.
Nach dem Termin, bei dem wir es erfuhren, bin ich zusammen mit unserer Tochter raus in die Natur gegangen. Ich sah sie einfach an, wie sie schlief, so friedlich, so wunderbar geschaffen, gesund, wunderschön, lebendig. Mir wurde ganz klar bewusst, wie groß dieses Wunder, dieses Geschenk ist. Diese Dankbarkeit, die ich für unsere Tochter empfand, war der erste Trost, der sich heilend über den Schmerz legte.
Am Abend kam noch eine gute Freundin vorbei und wir redeten über das, was passiert war und beteten zusammen. Im Gebet zeigte Gott mir ein Bild: Ich sah mich an einem Fluss ein kleines Boot mit unserem ungeborenen Kind ins Wasser setzen. Es wurde fortgetragen und es lag ein tiefer Frieden über dieser Szene. Ich wusste in dem Moment, dass dieses kleine Boot, mit unserem Kind darin, am richtigen Ort ankommen wird. Ich wusste das Ziel ist Gott, seine Gegenwart, sein Frieden, seine Fülle.
Es erinnerte mich an die Geschichte von Moses, wie er als Säugling von seiner Mutter in einem Korb auf dem Fluss fortgeschickt wurde, um ihn zu beschützen. Ich fand diese Stelle immer so seltsam, weil ich nicht nachvollziehen konnte, warum eine Mutter so etwas tun würde? Und wie kann man eine Lebensgefahr mit einer anderen aufwiegen? Doch in dem Moment, als ich dieses Bild bekam und dazu die Botschaft „Lass es los.“, begriff ich, dass die Mutter in der Geschichte voll Vertrauen in Gott ihr Kind losließ und ihr Glaube, dass es sicher am richtigen Ort ankommen wird, sogar größer war, als ihr Mutterherz, welches das Kind bei sich behalten wollte.
Wer die Geschichte kennt, weiß, wie essenziell wichtig der Vertrauensschritt dieser Mutter war, ihr Kind ziehen zu lassen. Ohne es zu wissen, hat ihre Tat den Verlauf einer weltbewegenden Geschichte entscheidend beeinflusst. (2. Mose 2, 1-10)
Mich tröstete der Gedanke, dass Gott das kleine Boot mit meinem Kind darin sieht und es sicher zum Ziel führen wird. Ich wusste es in dem Moment einfach voller Gewissheit. Natürlich schmerzte es, so wie es die Mutter von Moses sicher geschmerzt hatte, doch der Frieden war stärker. Trotz diesem sehr tröstenden Bild, war ich nach wie vor unfassbar wütend, enttäuscht und traurig über Gott, dass er uns dieses Leid nicht erspart hat. Er erschien mir immer noch kaltherzig und grausam.
Doch auch das änderte sich schon am nächsten Tag, als ich nachmittags zum Frauenermutigungstag in unserer Gemeinde dazustieß. Mir war zuerst gar nicht danach und ich ging dann letztendlich nur hin, weil ich den Workshop zum prophetischen Malen leitete und so spontan nicht absagen wollte. Gegen Ende der freien Malzeit nahm ich mir selbst eine kleine Leinwand und Farben. Tränen liefen mir still über das Gesicht, während ich das kleine Boot auf dem Fluss malte. Eine Freundin, die während dessen neben mir gemalt hatte, fragte nach einer Weile, ob ich am Vormittag schon da gewesen wäre, was ich verneinte. Sie erwiderte erstaunt, dass jemand im Lobpreis einen Eindruck von vorne geteilt hatte und was sie beschrieb, war genau das, was ich da gerade malte. Die Person hatte eine kleine Nussschale gesehen, die auf einem Fluss Richtung Meer schwamm und Gott sagte, dass die Nussschale für ihn etwas viel Größeres sei. Ich musste in dem Moment so los weinen, weil es genau in mein Herz traf. Es passte einfach so perfekt; sogar dass das Kind als es starb, ungefähr so groß wie eine Walnuss war. Aber was mich am meisten traf und mein schmerzendes, wütendes, fragendes Herz heilte, war, wie Gott mir dadurch zeigte, dass er nicht unbeteiligt, kaltherzig und grausam Leben gibt und wieder nimmt, sondern dass er dieses Wesen sieht, es kennt und es liebt. Nicht nur das, er zeigte mir damit, dass er auch mich sieht, dass mein Schmerz ihm nicht egal ist. Er wusste, dass ich an diesem Nachmittag leise weinend dieses Bild vom Vorabend malen würde und er bestätigte es auf eine übernatürliche Art und Weise, die weit über normale Zufälle hinausging. Meine Freundin nahm mich in den Arm und weinte mit mir, als sie nach einer Weile sagte, dass sie den Eindruck hat, wie Gott mit uns hier ist und trauert und weint. Diese Worte gaben mir sozusagen ‚den Rest‘. Ich konnte das wirklich glauben. Gott kennt meinen Schmerz und er fühlt es auch. Das war genau das, was die Lüge „Gott ist grausam“ komplett fortjagte und mit einem tiefen, tröstenden Frieden ersetzte.
Obwohl endlos viele Fragen offen blieben, hatte ich von dem Zeitpunkt an keinen Drang mehr Antworten darauf zu suchen. Ich konnte die Tatsache annehmen. Und vor allem konnte ich das Kind wirklich in Frieden loslassen.
Du bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter. Ich danke dir dafür, dass ich so wunderbar erschaffen bin, es erfüllt mich mit Ehrfurcht. Ja, das habe ich erkannt: Deine Werke sind wunderbar! Dir war ich nicht verborgen, als ich Gestalt annahm, als ich im Dunkeln erschaffen wurde, kunstvoll gebildet im tiefen Schoß der Erde. Deine Augen sahen mich schon, als mein Leben im Leib meiner Mutter entstand. Alle Tage, die noch kommen sollten, waren in deinem Buch bereits aufgeschrieben, bevor noch einer von ihnen eintraf.
– Psalm 139; 13-16 (NGÜ)
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