Das Thema Verletzlichkeit ist mir seit Anfang des Jahres besonders wichtig geworden. (Ich kann wärmsten den TED-Talk von Brene Brown dazu empfehlen)
Was bedeutet es verletzlich zu sein? Zunächst ist es immer mit enormem Mut verbunden, schließlich riskiert man sehr viel, wenn man seine wunden Stellen offenbart. Die Gefahr der Ablehnung, des Verlassen-werdens, des Übersehen-werdens und die unterliegende Scham für diese wunden Stellen in uns, machen uns selbstverständlich Angst. Es ist viel einfacher sich hinter einer Fassade zu verstecken und diese aufrecht zu erhalten als diese Gefahren einzugehen.

Bisher war ich fest davon überzeugt, damit kaum Schwierigkeiten zu haben, schließlich habe ich sogar schon hier auf dem Blog öffentlich einige der schwersten Kämpfe und Niederlagen aus meinem Leben geteilt und mich damit allen Freunden, Verwandten, Bekannten und Fremden, die es lesen gegenüber verletzlich gemacht. Auch in Beziehungen habe ich kein Problem, mich verletzlich zu zeigen und von meinem Herzen und meinen Kämpfen zu erzählen. Ich habe gelernt, dass authentisch sein der einzige Weg zu wahrem Selbstbewusstsein ist und das Ziel strebe ich auch aktiv an.

Allerdings ist mir in letzter Zeit bewusst geworden, dass es noch Bereiche in meinem Leben gibt, die ich unbewusst komplett abgeriegelt habe und wie weit ich eigentlich von wirklicher Verletzlichkeit entfernt war.
Bei der Arbeit fiel es mir bis vor kurzem enorm schwer, verletzlich zu sein. Ich bemerkte, wie sehr ich mich davor fürchtete, unterschätzt und für schwach befunden zu werden.
Dazu werde ich in einer der nächsten Kolumnen näher eingehen.

Verletzlichkeit hat damit zu tun, seine Schwachheit zu erkennen und sie nicht zu verstecken.
Ich liebe es, wie Gott in dieser Bibelstelle über Schwachheit spricht:

Doch der Herr hat zu mir gesagt: »Meine Gnade ist alles, was du brauchst, denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit zur vollen Auswirkung.« Daher will ich nun mit größter Freude und mehr als alles andere meine Schwachheiten rühmen, weil dann die Kraft von Christus in mir wohnt.

– 2. Korinther 12, 9

Nur wenn wir unsere ’starke‘ Fassade abnehmen, sind wir fähig, Gottes Kraft in uns und durch uns wirken zu lassen. In dieser heutigen Leistungs-Gesellschaft wird dafür kein Platz gelassen. Man muss funktionieren, stark sein, leisten. Tatsächlich habe ich in meinen schwächsten Momenten immer Gott besonders stark wahrgenommen.

Da ich recht klein bin, habe ich oft das Gefühl, unterschätzt zu werden. Andere sagen mir sogar, das sie sich Sorgen machen, wenn ich zum Beispiel alleine bei einem Klienten zum Hausbesuch bin. Das letzte Mal, vor wenigen Tagen, habe ich gemerkt, wie sehr mich diese Aussage gereizt hat. Ich antwortete einfach, dass es da keinen Grund zur Sorge gäbe. Warum auch? Und dachte währenddessen, wäre ich größer, kräftiger und würde insgesamt einen stabileren, stärkeren Eindruck machen, würde ich sicherlich nicht so häufig zu hören bekommen, dass man sich um mich sorgt.

Ich war wegen einer schweren Krankheit schon seit meiner Geburt Mamas Sorgenkind und seither versuche ich mich gegen diese Rolle zu wehren. Ich habe schon wirklich vieles durchgestanden, habe größtenteils alleine und ohne viel Geld die Welt bereist, war in einigen sehr gefährlichen Situationen, habe während schwersten psychischen Kämpfen mein Abi und Studium absolviert, in einem Heim für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete mehrmals kämpfende Pubertierende auseinander gerissen und vieles mehr. Ich wünschte, man würde das alles sehen und nicht nur die Fassade.

Aber, was ich gerade lerne, ist, wenn ich mich selbst so sehen kann, wie Gott mich sieht, ist es nicht mehr relevant, was andere von mir halten. Selbst wenn mich alle anderen für schwach und unfähig halten sollten, ändert das nichts, absolut gar nichts, an meinem wahren Wert und dass Gott mich mutig, stark, mit innerer Größe und einer Stimme, die etwas bewegt geschaffen hat.

  1. Was bedeutet es für dich, verletzlich zu sein?
  2. Wann hast du dich das letzte Mal schwach gefühlt? Wie ging es dir damit?
  3. Was glaubst du, sieht Gott in dir?