Wenn es ums Geben geht – sei es die wohltätige Organisation in der Fußgängerzone, Bekannte, die Spenden für einen Einsatz im Ausland sammeln oder die Kollekte im Gottesdienst – bemerke ich, immer wieder, wie ich in Gedanken durchgehe wie viel ich habe und eventuell entbehren kann.
Das ist per se nichts Verkehrtes, doch das Problem dabei ist, dass ich dann von Mangel ausgehe.
Wenn sich die Gedanken zuerst um die möglichen Grenzen drehen, ist es viel wahrscheinlicher, dass ich schnell weitergehe und mein Geld im nächsten Laden lieber für etwas ausgebe, was ich „ganz dringend“ noch brauche. Dabei zeigt die Erfahrung, dass ich mich nach dem Geben reicher und freier fühle als vorher.

Eine segnende Seele wird reichlich gesättigt, und wer anderen zu trinken gibt, wird selbst erquickt.

– Sprüche 11, 25 (Lutherbibel)

Dabei finde ich wichtig von Herzen zu geben und nicht aus Pflichtbewusstsein oder gar Menschenfurcht. Wenn ich im Verborgenen gebe, wenn niemand schaut, oder die Überweisung komplett anonym mache, empfinde ich das als ehrlicher und wirklich befreiend.
Befreiend nicht nur von dem Kreisen um mich selbst, sondern von den Gedanken des Mangels.

Jeder, wie er es sich im Herzen vornimmt; nicht widerwillig oder gezwungen, denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb! Gott aber ist mächtig, euch jede Gnade im Überfluss zu spenden, sodass ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk

– 2. Korinther 9, 7-8 (Lutherbibel)

Mangel ist etwas, was im Kopf entsteht und kaum etwas mit der Zahl auf dem Konto oder dem Geldbeutel zu tun hat. Auch wenn man Millionen hat, kann es sein, dass man nicht geben kann, weil man ja dringend die nächste Luxusjacht braucht. Es sind nur andere Dimensionen, aber ob man sich reich fühlt, ist von ganz anderen Faktoren abhängig. Auch wenn man materiell nichts hat, kann man großzügig sein und sich beim gemeinsamen Essen mit den Liebsten überreich fühlen. Es ist eine tatsächlich Frage des Fokusses, aber auch des Lebensstils.

Ich persönlich hatte nie viel Geld, doch das fiel mir als Kind nicht auf. Die weiten Felder, der tiefe Wald und der Fluss waren meine Welt. Ich hatte täglich Abenteuer mit Freunden aus der Nachbarschaft und zum Spielen brauchten wir nichts außer uns selbst und ganz viel Fantasie – und all das kostete nichts.
Später konnte ich die ganze Welt bereisen, ohne viel Geld zu haben. Ich nutzte Couchsurfing, Mitfahrgelegenheit, Trampen, besuchte Freunde und Familie in aller Welt, verkaufte Bilder und arbeitete auch hier und da für Kost und Logie. Als Studentin zog ich in eine Stadt im unterschätzen Ostdeutschland und konnte eine wunderschöne Altbauwohnung in der Innenstadt mit Freunden teilen, zu einem Preis für den ich in Stuttgart höchstens eine Besenkammer am Rand hätte mieten können. Ich aß oft bei VoKüs, neue Kleidung gab es bei Tauschpartys in Hülle und Fülle, außerdem sind Mitnehmkisten und Umsonstläden sehr üblich hier. Ich fühlte mich mit meinem kleinen BAföG reicher als je zuvor und das sogar ohne Nebenjob. Das lag vor allem an meinen Entscheidungen wo und wie ich leben möchte.
Meine Hochzeit mit Sascha war sehr low budget, aber auch das, weil wir es so wollten. Ich trug ein Sommerkleid von Kleiderkreisel, barfuß in einem wunderschönen Wald von Freunden dekoriert, jeder Gast brachte etwas zu essen mit und wir wurden so reich beschenkt, dass wir unser Traumland bereisen konnten und trotzdem noch viel übrig hatten, um ins gemeinsame Leben zu starten. Und auch jetzt in der neuen Lebenssituation mit Baby, mussten wir bisher so gut wie nichts kaufen. Uns wurde von Freunden und Familie alles gegeben, was man an Erstausstattung braucht und wir haben sogar mehr als genug. Wir haben jeden Tag als Familie viele Stunden Zeit miteinander. Keiner von uns muss 40+ Stunden arbeiten gehen, um unsere Familie zu finanzieren. Wir können uns zu essen kaufen, was wir möchten. Wir haben keine offenen Wünsche. Unser Reichtum ist unabhängig von irgendeinem Einkommen. Meine Dankbarkeit für diesen Reichtum ist grenzenlos und wenn es ums Geben geht, möchte ich mir immer den wundervollen Psalm 23 vor Augen halten:

Der Herr ist mein Hirte mir wird nichts mangeln.

– Psalm 23, 1 (Lutherbibel)

Denn im Reich Gottes gibt es keinen Mangel. Und danach möchte ich leben. Wenn ich Ihn meinen Hirte sein lasse, werde ich alles haben, was ich brauche und weit darüber hinaus und ich kann frei geben, was mir auf dem Herzen ist, denn ich bin gesegnet, um ein Segen zu sein.