Ich finde die Kleinkindjahre zu begleiten so unfassbar schön und wild und anstrengend zugleich. Es hat Seiten an mir zur Oberfläche gebracht, die ich bisher ins tiefste Versteck meiner Seele verbarrikadiert hatte. Ich merke auch ganz oft, dass ich unter Stress sehr ähnliche negative Verhaltensweisen an den Tag lege, wie meine Eltern damals bei mir. Ist es nicht spannend, wie Mutterschaft einen ganz nebenbei zu echt tiefen Erkenntnissen und Heilung führen kann?
Mir geht es jedenfalls so. Das merke ich gerade ganz besonders, denn dadurch dass ich mich viel mit bindungs- und bedürfnisorientierter Elternschaft beschäftige, merke ich ganz klar, was ich als Kind gebraucht hätte. Parallel dazu bin ich gerade in psychotherapeutischer Behandlung, wofür ich unendlich dankbar bin. Doch es ist auch herausfordernd, denn je weiter wir in der Therapie vordringen, desto mehr erkenne ich bei mir selbst ganz tief sitzende Wunden aus meiner eigenen Kindheit.

Meine eigene Verantwortung

Was ich im Laufe des letztens Jahres lernen durfte ist, dass meine Kinder nicht verantwortlich für meine Gefühle sind. Sie lösen sie vielleicht aus, mit ihrem unreifen Verhalten, aber wie ich reagiere, sagt nur etwas über mich und meinen Zustand aus, nicht über sie.
Es ist daher meine eigene Verantwortung präventiv gegen Wut, Überforderung, Stress, Resignation und Kraftlosigkeit anzugehen. Es liegt an mir, die Warnsignale meines Körpers und meiner Psyche wahrzunehmen und danach zu handeln.
Kinder brauchen keine Mutter die sich permanent aufopfert, alles gibt und ihnen dann Vorwürfe an den Kopf wirft, dass man zu viel verlangt. Kinder brauchen eine Mutter, die achtsam mit sich und anderen umgeht, liebevoll konsequent ihre Grenzen wahrt und mitteilt, die Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahlt und die weiß, dass sie wertvoll ist. Durch Erziehung kann man Kinder in der Tiefe nicht verändern. Ihr Verhalten vielleicht, aber was Kinder wirklich brauchen, ist Beziehung – in Form von sicherer Bindung.

Plötzlich wird das Kind zum Feindbild

Letztens las ich den Ratschlag, wenn ein Kind etwas macht, was es nicht soll, sich bewusst zu machen, dass man FÜR und nicht GEGEN das Kind ist. Das bedeutet nicht, dass man ihm keine Grenzen aufzeigen soll, sondern emotional nicht GEGEN das Kind zu sein.
Das passiert sehr schnell und unbewusst, wenn man zum Beispiel eine eigene Schwachstelle auf das Kind projiziert, zum Beispiel „deinetwegen muss ich jetzt hier den Boden nochmal wischen“, „du respektierst mich nicht“, „du sollst dich im Supermarkt nicht so ausrasten“, „das ist mir so unangenehm“.
Bei so vielen Situationen in denen wir schimpfen, sind wir selbst eher im Fokus: unser tieferliegender Schmerz, negative Glaubenssätze, Scham, eigene Kindheitstraumata. Plötzlich wird das Kind zum Feindbild und man vermittelt deutlich, dass man in ein GEGEN das Kind geht und es wird vermutlich die Situation und das Verhalten verschlimmern. Denn Kinder brauchen nichts mehr als eine sichere Bindung, wenn sie diese in Gefahr sehen, werden sie panisch und ihr rationales Denken schaltet sich aus. Dann beginnt leider sehr oft ein Teufelskreis, weil man das als Eltern so schwer ertragen kann, wenn ein Kind sich so „daneben benimmt“.

STOP

Nachdem ich diesen Ratschlag las, dachte ich mir zunächst nicht viel dabei, aber der Satz klang lange nach und am selben Tag noch zeigte meine größere Tochter ein Verhalten, welches mich extrem aufregte und ich fing an zu schimpfen, sie schrie sofort so laut sie konnte „STOOOOPP!“. Dann kam mir dieser Satz wieder in den Sinn. Bist du gerade FÜR oder GEGEN dein Kind? Ich hielt inne und merkte, dass mein Gesichtsausdruck, meine Stimme, meine Worte, meine Körperhaltung, einfach alles deutete auf ein GEGEN hin. Ich wollte dieses unerwünschte Verhalten sofort beendet sehen und ich fühlte mich im Grunde hilflos und überfordert. Das löste tiefsitzende Wut los und führte zu dieser Reaktion.

Das laute STOP meiner Tochter gab mir zu verstehen, dass ich sie gerade verletzte, dass sie Angst hatte abgelehnt zu werden, dass sie nie böse Absichten hatte, dass sie gerade Liebe brauchte.
Ich sagte mir im Herzen, dass ich FÜR mein Kind bin und nicht GEGEN sie und sofort fiel die Wut von mir ab. In dem Moment sah ich meine Tochter vor mir, ihr einzigartiges Wesen, ihr wunderschönes Herz, ihre zarte, verletzliche Seele und es brachte mich zum Weinen. Ich bot ihr meine offenen Arme an, was sie erst ablehnte. Also sagte ich ihr immer wieder diese Worte „Ich bin FÜR dich“ und ihr kleiner Körper entspannte sich mehr und mehr und sie kam in meinen Arm und schmiegte sich ganz nah an mich. Wenige Sekunden später tanzte sie ganz befreit durch die Wohnung und ich sah ihr verblüfft nach.

Dann wurde mir klar, dass auch Gott uns zuspricht „Ich bin FÜR dich, und nicht GEGEN dich!“. Was das in mir ausgelöst hat, teile ich in Tiefe in meiner nächsten Ausgabe von „Vom Wilden Herzen einer Frau“ am 30.08. Allgemein finde ich es so faszinierend, wie viel ich im Glauben durch das Muttersein lerne und wachse und ich merke, wie Gott meine eigenen Kindheitswunden heilt, während ich lernen darf, Tag für Tag meine Töchter zu lieben.

Gott spricht: Ich will euch trösten wie eine Mutter ihr Kind tröstet. – Jesaja 66:13

Fragen:

  • Was löst in dir Mama-Wut aus?
  • Was könnte dahinter stecken?
  • Was braucht dein Kind in dem Moment?