Bei meinem letzten Frauen-Abenteuer im Januar hatte ich es sehr auf dem Herzen über Scham zu sprechen. Weil Scham etwas ist, was wir selten bewusst wahrnehmen, sie uns aber sehr stark ausbremst – sowohl in Berufung, Beziehungen und Lebensfreude. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass Scham sich in alle Lebensbereiche einschleichen und negativen Einfluss nehmen kann. Deshalb war es mir so wichtig dieses etwas unbequeme Thema anzugehen und mit den Teilnehmerinnen in den Austausch darüber zu kommen.

Ich nehme die Gedanken dieses Tages mit in die nächsten Kolumnen und werde eine kleine Serie von 3 Teilen starten.
Heute beginne ich mit dem Hintergrund, warum mir das Thema ‚Scham‘ so auf dem Herzen war und was ich in meinem Leben für Erfahrungen damit gemacht habe.

Als Jugendliche litt ich an einer Essstörung. Und wie die allermeisten psychischen Krankheiten es so mit sich bringen, war diese stark von Scham begleitet. Es wurde von mir ständig vertuscht, gelogen, verleugnet. Wenn es jemand ansprach, ging ich in die Luft. Doch es begleitete mich viele Jahre, auch noch nachdem ich Jesus mein Leben gab. Gerade da war die Scham oft hoch, weil ich doch eigentlich gerettet war und geheilt sein müsste. Die Rückfälle machten mir zunehmend zu schaffen, weil ich mich fühlte, als würde ich alles, was mir Jesus gegeben hat, wegschmeißen, wenn ich wieder in die alten Verhaltensmuster verfiel. Ich konnte mit niemandem darüber reden und fühlte mich unverstanden und endlos allein damit.

Antworte mir, Herr, denn deine Gnade ist wohltuend! Wende dich mir zu in der ganzen Fülle deines Erbarmens. Verbirg dein Gesicht nicht vor mir, deinem Diener, denn mir ist angst und bange. Antworte mir doch rasch! Schenk meiner Seele deine Nähe und erlöse mich, befreie mich meinen Feinden zum Trotz!

– Psalm 69, 17-19 (NGÜ)

Um eine sehr lange Geschichte abzukürzen, es zog sich auch noch bis in meine Ehe hinein. Zwar sporadisch, aber in staken Stresssituationen war es ab und zu wie ein Ventil für mich, gefolgt von schlimmen Schuldgefühlen und Wut gegen mich selbst. Nur wenn ich Sascha erzählen konnte, dass ich mich wieder übergeben hatte und er mir versicherte, dass er mich jetzt kein Deut weniger liebte, mich fest in seine Arme nahm und mir sagte: „Dir ist vergeben, vergibst du dir?“ Dann löste sich diese dunkle Wolke der Scham binnen Sekunden komplett auf und Frieden machte sich breit.

Vor 5 Jahren etwa hatte ich es stark auf dem Herzen, meiner Gemeinde ein Zeugnis zu geben, dass ich von der Essstörung geheilt wurde. Der Eindruck war wirklich stark, denn eigentlich wollte ich es ganz und gar nicht machen. Zum einen weil ich mich dafür schämte und zum anderen, weil ich nicht ganz sicher war, wirklich geheilt zu sein, denn der letzte Rückfall war nicht sehr lange her.
Doch Gott machte mir ganz klar, dass ich Heilung proklamieren sollte, noch bevor ich selbst überhaupt davon überzeugt war. Und vor allem sollte ich das Thema in meinem Leben aus der dunklen Kammer der Scham holen, um dadurch weiteren Betroffenen auf ihrem Weg helfen zu können. Ich brauchte wirklich all meinen Mut und darüber hinaus, um das zu tun, aber es war so unfassbar heilsam für mich und zog noch im Nachhinein weite Kreise. Gott belohnt Mut einfach immer wieder.

Die letzten Jahre dachte ich kaum noch an die Essstörung, es lag quasi komplett in der Vergangenheit. Doch diesen letzten Sommer. Da hatte ich eines Tages, wie aus dem Nichts, als wir gerade im Urlaub in Schweden waren, das überwältige Drängen mich nach dem Essen zu übergeben.. was ich auch tat. Ich schlich mich extra in ein einsames Waldstückchen und mir ging es ganz schlimm. Ich konnte Sascha kein Wort sagen. Wie konnte das nach so langer Zeit wieder passieren?
Am selben Tag stand ich abends auf dem Steg vor unserer Hütte und schaute auf die Reflexion des Mondes im Wasser, als ich Gottes Reden in meinem Herzen vernahm. Er sprach das Wort „unashamed“ immer und immer wieder. Ich begann es zu bewegen und hörte, wie er sagte: „I see you. You are ok. Be unashamed.“ Ich brach weinend zusammen, weil ich mir bis dahin nicht bewusst war, wie viel Scham ich in mir trug.
Scham über mich als Person. Meine Fehler. Die Krankheit. Mein Körper. Ich weinte bitterlich, weil ich begriff, dass Gott mich nicht so sieht, wie ich selbst. Er sah die ganze Zeit schon hinter meine Fassade der Scham und jetzt in diesem Moment, an dem die Scham am größten war, konnte ich sie ablegen.

In den folgenden Nächten hatte ich mehrere intensive Träume, durch die Gott sehr deutlich zu mir sprach. In den Träumen erlebte ich mich komplett ohne Scham, ohne Unsicherheit und Menschenfurcht. Ich hörte ganz klar Gottes Stimme und handelte ohne ein Zögern danach. Es war mir nicht wichtig, was Menschen über mich dachten – nur, was Gott dachte, zählte. Es war so glasklar in den Träumen, als hätte ich es wirklich so erlebt. Ich wachte jedes mal voll Feuer im Herzen auf, mit dem Drang genau so zu leben – ohne Scham.

  1. Was macht das Thema ‚Scham‘ mit dir?
  2. Entdeckst du in deinem Leben Scham und ihre Auswirkungen?
  3. Hast du eine dunkle Kammer der Scham in deinem Leben, die gelüftet werden soll?