Es ging am 21.12. morgens los und ich spürte schon, dass sie Wehen regelmäßig und zunehmende intensiver wurden. Diese dritte und letzte Geburt sollte die Beste werden, ich war so gut vorbereitet wie noch nie und hatte mich mit so viel Input zu Hypnobirthing, Orgasmic Birthing, Supernatural Birthing, Painfree Birthing, MBCBP und was es alles noch gibt voll gepumpt. Die Worte einer erfahrenen Geburtsbegleiterin, mit der ich über meine Wünsche gesprochen hatte hallten aber auch noch nach: „Claire, es ist wichtig keine zu hohen Erwartungen an die Geburt zu haben, es kommt immer anders als geplant und da von vornherein offen für zu sein hilft Enttäuschungen entgegenzuwirken.“

Das war der beste Ratschlag, auch wenn ich es nicht gerne hörte, denn es machte mich klar das ich tatsächlich hohe Erwartungen an diese Geburt hatte. Selbstbestimmt, natürlich, ohne Schmerzmittel, schnell und einfach. Klingt doch alles gut, diese Dinge darf ich mir auch wünschen, aber die Möglichkeit auch vorher zu akzeptieren, dass es ganz anders kommen kann ist so wichtig…und es kam tatsächlich anders.

Was mir ganz wichtig war, war das Gebet zu beginn der Geburt im Kreißsaal. Auch ruhige Soaking Musik, eine warme Badewanne, gedämmtes Licht ließ mich ankommen und loslassen. Bis irgendwann die Schmerzen während der Wehen stärker wurden und sich eine Angst einschlich dass es mich überwältigen wird und ich dem nicht standhalten kann. Es wurde mit der Zeit so intensiv, dass ich einfach nicht mehr weitermachen wollte. Da nahm ich ein Schmerzmittel in Anspruch, obwohl ich zuvor Sascha sagte ich will auf keinen Fall Medikamente während der Geburt, um weitere Interventionen zu vermeiden. Doch das Loslassen von der Angst und dem Plan es ohne Unterstützung von Schmerzmitteln zu schaffen und das Zugeben meiner Grenze und ablegen von Scham darüber es nicht „natürlich“ zu schaffen, war für mich ein Schlüssel den Rest der Geburt zu bewältigen. Ich konnte mich wieder entspannen, nahm die Wehen weiterhin sehr intensiv wahr, aber etwas in mir entspannte sich und konnte aufatmen. Ich durfte Schwäche zeigen, Hilfe annehmen…musste nicht alleine kämpfen. Durfte loslassen.

Ich spürte die Kraft die meinen Körper durchzog, den Willen dieses Kind nun endlich auf die Welt zu bringen. Im Hypnobirthing-Land war ich lange nicht mehr, sondern ich nahm alles sehr bewusst wahr,, auch meine Grenze, meine Angst und mein Wegwollen aus der Situation. Doch die Kraft und der Glaube dass ich es schaffe und ein riesengroßes JA waren weiterhin da und dies überwog das, was mich bremste.

Ich bin so dankbar, dass die Geburt natürlich möglich war, nach dem Kaiserschnitt vor 3 Jahren, aber es war weder schnell, einfach und schmerzmittelfrei, noch war es nicht durchweg friedlich in mir und auch nicht um mich herum, absolut nicht. Und genau das darf ich annehmen, denn es hat mir meine Kraft gezeigt durch unangenehme und schier überwältigende Situationen durchzugehen.

Selbstbestimmt war die Geburt tatsächlich zum Großteil, so wie ich es mir gewünscht hatte. Das tat so gut und hat mir gezeigt, dass ich in den Jahren zwischen meiner ersten Geburt vor über 6 Jahren und jetzt viel Selbstvertrauen entwickeln konnte. Ich entschied vieles für mich und blieb trotzdem den Vorschlägen meiner Hebamme offen und vertraute ihr.

Doch als sie mir Positionen vorschrieb die ich nicht einnehmen wollte konnte ich klar und deutlich Nein sagen, genauso wie zu einem wehenverstärkendem Mittel zu einem Zeitpunkt als meine Schmerztoleranz schon an der absoluten Grenze war. Nein zu sagen ist für mich als chronische „People Pleaserin“ alles andere als selbstverständlich, doch ich konnte es klar und deutlich sagen und ließ mir auch nichts einreden.

Ein altes Sprichwort sagt, dass sie Mutter während der Geburt zu den Sternen (zu Gott) geht um dort die Seele ihres Kindes abzuholen. Daran musste ich manchmal denken und es beruhigte mich, mir Gottes Gegenwart bewusst zu werden. Seine Nähe und sein JA zu diesem Leben das gerade beginnen sollte. Meine Aufgabe war das Vertrauen und Loslassen, so wie es eigentlich das ganze Leben lang ist.

Eine Geburt kann wie eine extrem komprimierte Lebensspanne sein: das Wachsen, der Schmerz, die Freude, das Leid, die Lust, das Überwältigt sein, die Liebe, die Angst, das Vertrauen, der tiefe Atem, der flache Atem, die ängstlichen und die friedlichen Gedanken, das Transzendente, der Kampf, das Lautsein, das Schweigen, die Unterstützung, das Aufgeben wollen und das dennoch weitermachen, das Zulassen und Hindurchgehen, die Scham und das Überwinden, das Körperempfinden und die Intuition, das für sich einstehen, das Nein sagen, das Loslassen und Ja sagen, das Unbekannte, die ermutigenden Worte, der Frust, das Loslassen und das Vertrauen in mich, meinen Körper, mein Baby, meinen Helfern, meinen Mann und in Gott. Sowie das Gefühl inmitten von etwas zu sein, das viel größer ist als ich aber in dessen ich dennoch eine entscheidende Rolle spielte.

Ist all dies nicht eine Zusammenfassung eines intensiven, von Herzen gelebten menschlichen Lebens hier auf dieser Welt? All dies zieht sich auf intensivster Weise durch die Stunden der Geburt und mit dem Baby wird auch eine neue Mutter geboren, auch wenn es nicht das erste Kind ist.