Es gibt Menschen, die wollen die Welt besser machen, indem sie ständig anderen helfen. Dabei ist es ihre eigentliche Aufgabe, bei sich selbst anzufangen, die eigene Geschichte aufzuarbeiten. Doch die schier erdrückende Wucht und Schwere dieser Aufgabe bringt einen meist dazu lange davor weglaufen. Ich kenne viele, mich mit eingenommen, denen erst durch eine eigene psychische Krankheit klar wurde, was ihre Vergangenheit, Vorfahren und Herkunftsfamilie heute mit ihnen zu tun haben und den Weg der Heilung dafür nutzten, um ungesunde Kreisläufe in ihrer Familie zu durchbrechen.
„Wir suchen immer das, was uns bekannt vorkommt.“
Der Prozess des Durchbrechens aus den ungesunden Kreisläufen kann Jahre, sogar ein Leben lang dauern. Es gibt immer wieder neue Kapitel der Geschichte. Es reicht nicht zu sagen, was man nicht sein oder tun will, denn zu verdrängen, welchen Einfluss die Kindheit hatte, führt mit Sicherheit nicht zum Ziel. Oft kommt es so, dass man in genau dieselben Muster verfällt wie die, die man aus der Kindheit kennt. Wir suchen immer das, was uns bekannt vorkommt, ganz unbewusst. Es gibt uns Sicherheit, auch wenn diese Sicherheit extrem schmerzt und sogar destruktiv ist. Sei es Suchtverhalten, gewaltvolle Beziehungen, Fremdgehen, Umgang mit Essen und Körperbild, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Im Englischen gibt es für Menschen, die sich entscheiden familiäre Muster zu beenden den Begriff „Cyclebreaker“.
Es sind eigentlich ganz normale Menschen, aber sie durchbrechen mit ihren Entscheidungen und mit viel Mut, Durchhaltevermögen und definitiv auch mit Gottes Hilfe ungesunde, unbewusste Muster, die Ihnen von vorhergehenden Generationen weitergegeben wurden.
Wir sind schließlich keine frei im luftleeren Raum schwebenden Individuen, sondern wir sind verbunden mit hunderten, tausenden von Generationen vor uns und all ihren Schicksalen, Traumata, Entscheidungen, Fehltritten, Segnungen, Berufungen, Wunden etc. Jedes einzelne Individuum in einem Familiensystem hat Einfluss auf die anderen und vor allem auf die nachfolgenden Generationen.
Wie bei einer Zwiebel
Es gab schon lange einige Dinge, die mir bewusst waren, dass ich sie ganz anders als meine Eltern machen möchte, und vieles habe ich geschafft zu durchbrechen. Es ist aber ein bisschen wie bei einer Zwiebel, es sind ganz viele Schichten und je näher man zum Kern kommt, desto mehr schmerzt es und ja, Tränen fließen auch. Ich finde es fast putzig, dass ich vor 10 Jahren mit Anfang 20 behauptet habe, ich hätte meine Kindheit aufgearbeitet und wüsste schon total wer ich bin. Dass so vieles was ich „bin“ nichts anderes als eine Antwort auf die Dinge sind, die mich als Kind tief verunsichert haben, das verstehe ich jetzt erst so langsam.
„Ich habe Kämpfe gekämpft, vor denen sie kapituliert hat.“
Wir alle tragen mit uns die Möglichkeit die ungelösten Aufgaben unserer Eltern/Großeltern anzugehen. Ich wusste zum Beispiel schon früh, dass ich das Verhältnis, das meine Mutter zu Geld bzw. Gottes Versorgung hat, für mich durchbrechen werde, denn es hat ihr so viele Jahre Freude und Kraft geraubt. Ich bin Schritte gegangen, die sie nicht gehen konnte, habe Kämpfe gekämpft, vor denen sie kapituliert hat. Es war wirklich nicht leicht, aber meine unfassbare Sehnsucht nach Leben in Fülle und nach Freiheit haben mich immer weiter machen lassen.
„Das ist für mich der Sinn von Beziehung und vor allem Ehe.“
Meine Lebensumstände ergeben die perfekte Grundlage, um an den Kern zu kommen. Deshalb macht es Sinn, dass ich einen Mann habe, dessen Herzschlag so wie der von meinem Vater intensiv für Jesus und seine Botschaft schlägt, keine Angst hat vor finanzieller Unsicherheit und sich auf Gottes Versorgung verlässt, statt einen Job mit geregeltem, sicherem Einkommen zu haben. Die Wahrscheinlichkeit so jemanden zu treffen und sich auch noch gegenseitig zu verlieben ist wirklich nicht hoch. Doch hier sind wir nun und die Liste der Dinge, die für uns individuell und gemeinsam aufarbeiten und lösen wird immer länger, je mehr wir uns kennen lernen (ja, auch nach 7 Jahren Ehe lernen wir uns immer noch kennen)
Was in einer Beziehung triggert, kann entweder zur Trennung führen (sei es auch nur im Herzen, falls man aus christlichen Gründen Scheidung ablehnt und ich persönlich finde eine Herzenstrennung weitaus schlimmer, aber das ist ein anderes Thema) oder es führt dazu sich offen und ehrlich gemeinsam mit dem Trigger zu befassen und somit zu heilen, was noch schmerzt und die Beziehung wird dadurch automatisch viel tiefer, vertrauensvoller und lebendiger. Das ist für mich der Sinn von Beziehung und vor allem Ehe. Gemeinsam auf dem Weg der Heilung sein.
Fragen:
- Wie wurdest du in deiner Kindheit geprägt?
- Was hat das mit dir heute zu tun?
- Mit wem teilst du deine innersten Prozesse?
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