Vor kurzem lief ich jemandem über den Weg, den ich schon richtig lange nicht gesehen hatte und mit dem ich aber auch nicht wirklich eine tiefe Beziehung habe, eher eine Bekanntschaft. Wir führten einen ganz komischen, ja fast verkrampften Smalltalk mit vielen nervösen, unechten Lachern, bis ich es holperig beendete. Im Weggehen ärgerte mich so sehr über mich selbst.
Schmalltalk fiel mir schon immer schwer, aber so nach den letzten Monaten, in denen man einfach situationsbedingt nicht vielen Menschen begegnete, ist es besonders schwer für mich geworden, ein locker-flockiges Gespräch zwischen Tür und Angel zu führen. Es ist so frustrierend, weil es doch nichts Kompliziertes zu sein scheint, aber für mich ist es das.
Ich bemerkte in der oben beschriebenen Situation, dass ich dies an mir total ablehne und mir echt wünschte, ich wäre in dem Punkt einfach anders. Und wie sehr da doch noch das Thema Scham reinspielt. Ich hatte mich schon viel mit dem Thema „Frei von Scham“ auseinander gesetzt (in einigen Kolumnen hab ich davon geschrieben), doch an diesem Punkt muss ich einfach zugeben, dass ich mich für einige meiner Schwächen immer noch sehr schäme.
Scham führt dazu, dass wir uns verstecken, verstellen, wünschten anders zu sein und ja niemanden hinter die Fassade blicken zu lassen. Das Problem bei mir persönlich dabei ist nur, dass ich nichtmal wirklich gut darin bin die Fassade zu bewahren. Ich kann, glaube ich, kaum jemanden davon überzeugen ein Smalltalk würde mir leichtfallen, oder ich wäre eine sehr selbstbewusste, aufgeschlossene Person. Und trotzdem stecke ich echt viel Anstrengung da rein, um so zu wirken. Gar nicht bewusst, denn die dahinterliegende Angst ist, die nicht gemocht, abgelehnt und letztendlich verlassen zu werden.
Es fällt mir mittlerweile nicht schwer authentisch zu sein, wenn ich „in meinem Element“ bin, z.B. in einem tiefen Zweiergespräch über Themen, die mein Herz wirklich bewegen oder wenn ich ein Frauenretreat leite. Doch was ist, wenn es unbequem wird, wenn ich unsicher werde und die Situation und die Menschen nicht gut kenne. Wie schaffe ich es dann auch authentisch zu bleiben?
Als ich Sascha von der unangenehmen Begegnung erzählte, fragte er etwas, was mich noch lange beschäftigte. Er fragte, warum ich die „awkwarde“ Situation nicht einfach als solche benannt hatte. Hätte ich nicht einfach sagen können, dass ich Smalltalk nicht kann, über meine vermeintliche Schwäche lachen, sie ganz offen meinem Gegenüber mitteilen und wahrscheinlich feststellen, dass es meinem Gegenüber genauso geht? Sich selbst und damit auch die eigenen Schwächen nicht so ernst zu nehmen, über sich lachen zu können, das ist unfassbar wichtig, um mehr Freude, Freiheit und Gelassenheit im Leben zu erlangen. Was hat man zu verlieren? Wen will ich denn beeindrucken?
Authentische Menschen sind immer inspirierend. Doch zum Authentisch-sein gehört, dass man die Kontrolle darüber abgibt, wie man bei anderen rüberkommt. Wirklich kontrollieren kann man es eh nicht. Aber indem man sich verstellt und gemocht zu werden, versucht man es dennoch – mit dem Preis wahre Authentizität aufzugeben. Es ist ein unbequemer Weg authentisch zu sein, aber es lohnt sich immer. Wie oben bereits erwähnt ist eine meiner größten Ängste nicht gemocht, abgelehnt und verlassen zu werden. Deshalb war ich, seit ich denken kann, in den allermeisten Situationen lieber still und unsichtbar, anstatt meine Wahrheit auszusprechen; auf die Gefahr hin, dass jemand mich dann nicht mag. Doch die kritischen Stimmen, die ich so oft in den Köpfen der anderen vermute, sind eigentlich meine eigenen, inneren Kritiker.
Im Endeffekt kann ich nicht verändern, was andere über mich denken, nur was ich selbst über mich denke. Und da sollte ich mich lieber an dem orientieren, was Gott zu meinem Herzen spricht, denn das, worauf es am Ende ankommt, ist, zu wissen, wer man in Gott ist. Wie einzigartig man geschaffen wurde, um einen ganz besonderen Platz in dieser Welt zu dieser Zeit einzunehmen. Wenn Jesus mich frei gemacht hat, kann ich auch frei von Menschenfurcht sein. Ist die Meinung anderer sogar ein falscher Gott für mich, wenn ich mich so sehr dem beuge und ich verstelle, um da was Negatives zu verhindern? Jesus wurde voll so vielen nicht gemocht und nur deshalb konnte er seinen Auftrag hier auf Erden zur Vollendung bringen. Sicher ist es nicht leicht, aber authentisch zu sein ist gerade als Nachfolger Jesu unfassbar wichtig.
- Wie gehst du damit um, wenn du mit deinen Schwächen konfrontiert wirst?
- Gibt es Fassaden, die du anderen gegenüber aufrecht erhältst?
- Was bedeutet es für dich authentisch zu sein?
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