Der Nachfolgende Text wurde von einer Person geschrieben, die mir unbeschreiblich nahe steht, meine Schwester. Sie nimmt uns auf ehrliche, verletzliche und tief ergreifende Weise mit auf ihre ganz persönliche Reise ins Muttersein.

– Claire

Dezember 2017
Ich liege auf meinem Teppich, niese wegen dem Staub in der Luft und lese meine Lieblings-Verheißungen, die ich an die Decke geklebt habe:

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ – Jeremia 29;11
„Mächtiger als das Tosen großer Wasser, mächtiger als die Wellen des Meeres ist der HERR in der Höhe.“ – Psalm 93,4
„Ja, selig ist, die da geglaubt hat! Denn es wird vollendet werden, was ihr gesagt ist von dem Herrn.“ – Lukas 1,45
„Du bist schön, ganz wunderschön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.“ – Hohelied 4,7

Gott ist auch da, wie so oft. Er sitzt, lauscht, atmet nah bei mir ein und aus – aber sagt nicht viel.
Wie so oft fragt er dann: „Vertraust du mir?“ Wie so oft sage ich wie eine Leierkiste „Jaja, klar doch, in allem außer..“ Er unterbricht mich mit einem Windhauch, der die Tür knallen lässt. Ich schnelle auf und habe Gänsehaut, wie noch nie zuvor.. mein Herz rast und ich blicke um mich.

„Gib mir dein Vertrauen.“
Ich erzähle ihm von all meinen Plänen, Ängsten und Ausreden.
Er wiederholt sich.
Sanfter.
Es wird zu einer Einladung. Ich will meine Hand in seine legen, aber ich weiß, was das bedeuten wird.. ich werde Mutter werden.

Die letzten Jahre glaubte ich vehement, dass ich mein abenteuerliches Leben bändigen, ja sogar niederlegen muss, wenn ich Mutter werde. Ich hatte ein verzerrtes Bild von mir als Mutter, als weibliches Vorbild.
Alles andere außerhalb von ‚Sozialarbeiterin‘ schien konfus und unmöglich.
Ich jaulte, dass ich als Mutter keine Identität habe und als werdende Mutter nicht bedürftig sein will. Ich dachte, ich muss alle retten, ich muss kämpfen.

Ich bin müde.. zu müde, Gott zu widerstehen; zu müde, seine Verheißungen in Frage zu stellen und an seiner Güte und seinem Überfluss zu zweifeln.

Noch einmal:
„Gibt mir dein Vertrauen“
„Aber nur, wenn ich nicht sofort schwanger werde, so Mitte 2018 oder gegen Ende 2018. Ich glaube, ich brauche noch ein Jahr Abenteuer. Ja? Deal? – Hallo?“

Stille.. und noch was macht sich in mir breit … Frieden.

Ein paar Monate verstreichen und wir als Ehepaar sind zu beschäftigt oder müde um miteinander zu schlafen (kein Weihnachtssex? Kein Neujahrssex?).

Februar 2018
Wir schlafen zum ersten Mal ohne Verhütung miteinander und ich habe vergessen meine Fruchtbarkeits-App zu verfolgen, aber ich bin mir sicher im grünen Bereich zu sein. Dann schaue ich aus Neugier nach und mein Leben beginnt sich zu verändern.
„Höchste Fruchtbarkeit“ – dunkelrot.
Ich weiß in dem Moment, dass etwas passiert ist.
Ich ignoriere jegliches Gefühl, das sich in mir aufbauschen will und denke: „So ‚frech‘ würde Gott bestimmt nicht sein, dass er die erste Gelegenheit nutzt.“
Gott ist ein ‚frecher‘ Opportunist, denn einen Monat später ist mein Schwangerschaftstest positiv.
Ich ignoriere immer noch jegliches Gefühl. Bis ich unser Glühwürmchen auf einem Bildschirm sehe. Ich freue mich, aber habe auch große Angst.
Tristan und ich hatten uns soeben selbständig gemacht und wollten von meinem Einkommen leben, während er an unserem Business arbeitet. Nun trifft mich Übelkeit und reißt mich jede Stunde zur Toilette und ich muss für 3 Monate jeden Tag 20 Stunden schlafen.
Ich war als Zeitarbeiter für Projekte im sozialen Bereich angestellt und hatte keinen Anspruch auf Bezahlung. Also sind wir von 2 Einkommen zu KEINEM Einkommen gelangt, mit 45000 Dollar Start up Schulden und in einer der 4 teuersten Städte der Welt lebend.
In dieser Zeit habe ich wirklich sehr gezweifelt und gelitten, körperlich und geistig. Ich habe oft nach Gott gejault und er war sehr still. Ich habe ihm mein Vertrauen gegeben und er hat uns fallen lassen. Ich war zornig.. aber hab auch gewusst, dass unser kleines Glühwürmchen schon Liebe oder Ablehnung spüren kann.
In den drei Monaten des Haderns habe ich aber zumal gelernt, Aufgaben abzugeben und mich weniger in die großen und kleinen Probleme meiner bedürftigen Mitmenschen einzumischen.

Als mein Arzt mich fragte, wie es mir ginge, gab ich zu, dass ich Angst habe und labil bin. Er läutete die Alarmglocken und ein psychischer Gesundheitshilfeplan wurde erstellt. Sehr dramatisch, ich weiß, aber mir wurde ein Community Mentor zugeteilt.
Diese Person hat binnen 30 Minuten erkannt, dass ich gar kein Selbstwertgefühl habe, keine Ahnung habe, was ich eigentlich mag oder was ich in meiner Freizeit mache – einfach sehr viel Ahnungslosigkeit, wenn es um mich persönlich geht. „Ihr Sozialarbeiter seid die Schlimmsten, wenn es um Selbstfürsorge geht.“ – „Ehm, yep.“

Wir fingen bei Grundlagen an, mit Fingerfarben beschmiert, „Wer ist Reneé eigentlich?“. Zum ersten Mal habe ich gewagt, in mein Herz reinzuschauen, wo viele Dunkelkammern lauerten.
Ein paar Tage später wurde ich überwältigt von dem Weltschmerz, den ich über die Jahre aufgesaugt hatte und ich fiel in ein irrationales Chaos in mir und wütete. Tristan, der keine Ahnung hatte, was er sagen oder tun soll, hat es noch schlimmer gemacht mit seiner Sturheit und Rechthaberei.
Ich schrie um mich, wie eine Furie, dass ich ‚SO‘ nicht leben will.
Das Drama nahm seinen Lauf, die Polizei wurde gerufen und ich wurde zwangs-eingewiesen. In der Klinik blieb ich einige Stunden und wurde entlassen, nachdem die top Psychotherapeutin in Sydney sagte: „Diese Sozialarbeiter sind die Schlimmsten. Lasst sie nachhause gehen, ermutigt sie das zu tun, was wie liebt und gebt ihr all den Beistand, den sie braucht um das Baby zu lieben.“
Seitdem ging es bergauf. Ich durfte viele Stunden lang über mich und meine Vergangenheit reden. Sehr viel musste entsorgt und recycelt werden.

Ich habe dann ein Baby Anzug gekauft und Zuhause aufgehängt.
Plötzlich war etwas da, was vorher nicht da war – ein Strampler, der gefüllt werden muss. Am ersten Tag meines vierten Monats ging es mir plötzlich fabelhaft. Mein abgemagerter Körper hat zugenommen und man gab mir Komplimente für mein ‚Glow‘ (‚Leuchten‘). Ich fing das Arbeiten wieder an, aber mit anderen Motiven und ohne Zwang. Ich diente meinen Klienten, aber konnte auch Grenzen setzen und Hilfe annehmen.
Ich habe viel Auszeit genommen und Malerei wiederentdeckt, sowie Poesie und Geschichten schreiben, habe Stofftiere gehäkelt und Mobilees gemacht. Ich habe mich in das Baby verliebt, ohne zu wissen, welches Geschlecht es ist. Es war einfach nur ‚Glowworm‘ (‚Glühwürmchen‘).

Ich hatte das Gefühl, das es ein Junge wird, weil ich einen Junge wollte.
Im sechsten Monat erfuhren wir, dass es ein Mädchen ist und ich konnte Tristans Begeisterung nicht teilen. Ich war erst taub, dann wütend auf Gott, dann bereuend, (Embryos können Liebe oder Ablehnung spüren).
Als eine Schlüsselperson und Freundin aus Deutschland zu Besuch kam und einbohrte, war ich in der Zwickmühle, mich meinen letzten großen ‚Monstern‘ zu stellen. „warum will ich keine Tochter haben?“
Nach Monaten der Stille schaltete sich der ‚freche Opportunist‘ wieder ein und sagte: „Weil du dich selbst nicht so liebst, wie ich dich liebe. Lass uns daran arbeiten, ja?“
„Hab ich dich nicht jedes Mal mit meinen Wegen überrascht? Wie sehr du immer an mir gezweifelt hast und ich alles immer besser hingebogen habe als es vorher war? Ich hätte dir einen Sohn geben können, aber du würdest nicht so mutig sein müssen, wie als Mutter einer Tochter.“

„Ehm.. yep“

In den nächsten Monaten wurde viel ausgebügelt, mein Bauch wuchs und unser Baby tanzte in Zeitlupe und ich spürte, dass sie eine ruhige, sanfte Person wird.
Meine Kreativität erreichte neue Dimensionen und zum ersten Mal fand ich mich sogar schön. Mein Lächeln und mein Herz, das so viel Liebe hat, aber nun nicht mehr schuftet, um anerkannt zu werden.
Zum ersten Mal in Monaten fing Einkommen an, ins Haus zu wandern und unsere Ehe verbesserte sich spürbar. Wir haben aufgehört die Finger und Vorwürfe aufeinander zu richten, sondern fragten uns viel mehr: „Was für Eltern wollen wir sein?“. Ein gemeinsames Ziel hat uns zusammen gebunden.
Ich hatte oft das Lied von Beethovens neunter Symphonie im Herzen. Unser „Freude schöner Götterfunken“ würde bald bei uns sein.
Eine Bekannte, die Opernsängern ist, sang das Lied in glasbrechenden Tönen zu meinem Bauch und viele Freunde und Mentoren prophezeiten, dass unser Glühwürmchen eine Weltveränderin sein wird.

Kurz vor der Geburt haben wir uns auf einen Namen geeinigt: „Noëlle Hope“.
Weil sie ein Fest von Liebe und Licht sein wird und weil ohne Hoffnung im Leben nichts weitergeht.

Die Geburt war länger und härter als ich erwartet hatte, aber Gottes Gegenwart war immer da und ich habe sogar seine Vorfreude gespürt. Ich hab Gott während dem Pressen gefragt: „Ist sie niedlich?“ und er sagte: „Oh, warte nur ab.“
Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist ihre warme, seidige Haut auf meiner Brust und wie sie mir vor ihrem ersten Schrei in die Augen geschaut und gezwinkert hat.

Nun, während ich dies schreibe, ist sie 10 Tage alt und die Tage sind gefüllt mit schlafen, knuddeln, küssen, spielen, wiederholen..

Mein Leben sieht sehr zahm aus zur Zeit, aber es ist mein aller größtes Abenteuer.

Danke Noëlle, für deinen Zauber, deinen Götterfunken in meinem Dasein. Ich werde mein Bestes tun, dir Sanftmut und Mut vorzuleben.
Danke an die Liebe meines Lebens, Tristan, du bist ein wundervoller Vater and Herzenseroberer.
Danke an Claire und Sascha die mir Vorbild Eltern sind.
Und Danke Gott, du ‚frecher Opportunist‘, dass du mich damals herausgefordert hast, weil du mich freier und wilder siehst, als ich es jemals selber könnte.

Renée, Mutter aus Sydney.