Die letzten Wochen waren sehr intensiv, seit ich nach einer längeren Baby-Pause wieder arbeite. Die Arbeit an sich ist schön und ich bin so froh wieder anderen Herausforderungen gegenüber zu stehen als nur dem Mama-Leben zuhause.

Nicht leicht zu ertragen

Ich arbeite als Familien-Helferin und parallel noch im ambulant betreuten Wohnen, zum Teil mit schwerst psychisch erkrankten Menschen. So schwere Schicksale, vermüllte oder karge Wohnungen, Kinder, die sich an mich klammern, wenn ich gehe, traurige Augen, ungeöffnete Mahnungen, Berge von Aufgaben und ich. Für einen stark emphatischen, sensiblen Menschen wie mich ist das echt nicht leicht zu ertragen und auch zu merken, dass viele sich zunächst gar nicht helfen lassen. Wenn ich von den Klienten oder Familien weggehe, kann ich nicht anders als zu beten, zu seufzen, tief durchzuatmen und manchmal eine Träne zu vergießen.

Durch diesen Job darf ich aber so viel lernen, vor allem die Selbstverantwortung.

Meine Verantwortung für mich selbst

Tatsächlich bin ich voll ambitioniert die ersten Wochen rangegangen mit dem wirklich tiefen Wunsch Menschen (insbesondere Kindern) zu helfen, sie zu retten, einen nachhaltigen Unterschied in ihrem Leben auszumachen. Ich hab wahnsinnig viel Verantwortung auf mich geladen, und zugleich die Verantwortung für mich selbst vernachlässigt. Ich bin mir selbst ausgewichen, hab mich abgelenkt und kaum Zugang gespürt. Mein Glaubensleben blieb fast komplett auf der Strecke, mit meiner Tochter und Mann hatte ich ein paar sehr heftige Auseinandersetzungen und mit Freunden kaum noch Kontakt. Während ich alles versuchte bei der Arbeit nicht zu versagen, steuerte ich im direkten Kurs auf ein Versagen in ganz anderen Bereichen meines Lebens zu.

Bis letztens bei einer Therapiesitzung meine Therapeutin zu mir meinte, dass der tiefe Wunsch Kindern und Familien zu helfen aus meiner eigenen, Geschichte heraus resultieren könnte. Dass ich im Grunde meine eigene Kindheit aufarbeiten möchte und es stellvertretend mit anderen Familien versuche gut zu machen, was bei mir damals schiefgelaufen ist.
Da ich mich als Kind hilflos und ungesehen fühlte, möchte ich heute umso mehr helfen. Sie riet mir den Fokus zunächst auf mich selbst zu richten, dem Kind in mir die Hilfe zu geben, die ich unbedingt den anderen geben möchte. Wenn ich mir auf Dauer ausweiche und weiter gebe, gebe, gebe, bleibt nicht mehr viel übrig und helfen kann ich dann auch niemandem mehr.

Das hat mich sehr aus der Bahn geworfen, denn ich hatte mir trotz vieler Warnsignale meines Körpers und Psyche vorgenommen stark zu bleiben und heldenhaft allen Widrigkeiten zum Trotz den Familien zu helfen. Doch um wen geht es dabei in Wahrheit? Steckt hinter dem vermeintlich altruistischen, nächstenliebenden Handeln einfach nur ganz tiefer Schmerz? Und Angst? Bedeutet stark zu sein wirklich die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen, oder sich einzugestehen, dass es einem nicht gut tut und Alternativen auszuloten?

Die Hilfe kommt von Gott, die Verantwortung liegt bei mir

Aktuell stehe ich vor ganz vielen Fragezeichen was jetzt kommt, aber ich bin auch zuversichtlich, weil ich mich bisher auf dem Heilungsweg immer sehr sehr nah von Gott geführt und begleitet gefühlt habe und vertraue, dass ich alle Herausforderungen mit seiner Kraft in mir überwinden kann. Die Verantwortung liegt bei mir. Es ist ganz einfach betrachtet so wie bei den Sicherheitsinfos in Flugzeugen: Erst braucht man selbst die Sauerstoffmaske, bevor man anderen Hilfebedürftigen beistehen kann.

Ich nehme jetzt allen Mut zusammen und gehe den Weg der Heilung und tiefen Aufarbeitung meiner Kindheit, denn das Dunkle, der Schmerz will an die Oberfläche. Es will gesehen, mit Liebe gefüllt und geheilt werden. Es fühlt sich an als wäre das größte Abenteuer meines Lebens gerade erst vor mir.

In den nächsten Kolumnen werde ich euch mit auf die Reise nehmen, seid dabei wenn es euch bewegt und stellt mir jederzeit Fragen. (claire@keineinsamerbaum.org)

Jetzt habe ich erstmal wieder welche für euch und zwar:

  • Bist du mit dir selbst gut in Verbindung?
  • Was motiviert dich an deinem Job/Studium?
  • Hast du bereits mit der inneren Kind Arbeit in Berührung gekommen? Wenn ja, wie war deine Erfahrung?