Wenn aus Alltag Abenteuer wird, beginnt das Leben. Viel zu oft leben wir doch wie mit Scheuklappen und sehen nur To-Do Listen und Wäscheberge. Die Schönheit des einzelnen, unscheinbaren Moments geht dabei verloren und man ist froh den Tag rumzukriegen.
Gerade mit kleinen Kindern ist es sehr üblich gewisse ‚Phasen‘ rumzukriegen, wie zum Beispiel Entwicklungsschübe, Zahnen, Impfnachwirkungen, wieder Zahnen, Schnupfen, Entwicklungsschübe, Zahnen.. etc. Außerdem scheint man in den ersten Monaten und Jahren vor allem dem nächsten Entwicklungsmeilensteinen entgegen zu hechten. Man kann es kaum erwarten, dass endlich das erste Zähnchen kommt, das erste Wort, die ersten Schritte gemacht werden. Das ist verständlich, bei mir war es nicht anders. Ich war unfassbar ungeduldig und konnte es kaum abwarten, bis meine Kleine endlich etwas Neues konnte und wurde nervös, wenn gleichaltrige schon längst davon düsten, während sie sich noch Zeit ließ. Das genau diese Gedanken mir die Freuden des Augenblicks trübten, stellte ich erst vor nicht allzu langer Zeit fest.

A. war gerade dabei sich hochzuziehen, aber lief noch nicht alleine, als wir Besuch von einer Freundin, die auch Mami ist, bekamen. Nebenbei erwähnte ich, dass ich drauf warte, dass sie endlich alleine läuft, da sie sich schon einige Monate hochzieht und entlanghangelt. Sie meinte daraufhin, dass das noch früh genug passieren wird und man erst im Nachhinein merkt, dass es vor den ersten Schritten oft noch entspannter war. Denn sobald sie laufen, ist Umher-schieben nicht mehr so beliebt, aber alleine laufen dauert Jahrhunderte. Sie wollen getragen und wieder abgesetzt werden und wieder von vorne. Sie fallen wahrscheinlich oft hin, werden regelrecht übermütig. Das trifft natürlich nicht auf alle zu, sondern es waren nur ein paar Beispiele, die sie mir nannte – wahrscheinlich auf ihren eigenen Erfahrungen beruhend. Aber unabhängig davon, ob es bei uns auch so sein würde, half mir ihre Geschichte den momentanen Entwicklungsstand meiner Tochter einfach zu genießen und nicht ungeduldig auf irgendetwas zu warten.

Eine Kollegin und ehemalige Babykurs-Leiterin meinte letztens, dass es wichtig ist, die aktuellen Fähigkeiten der kleinen wahrzunehmen, zu staunen und sie darin zu unterstützen. Das kann zum Beispiel am Anfang sein, einfach nur den Blick auf etwas haften zu lassen, auf Ansprache zu reagieren, den Kopf einer Geräuschquelle entgegen zu drehen. Solche ‚Kleinigkeiten‘ werden oft übersehen, sind aber enorme, physische und kognitive Leistungen für die Kleinen. Auch in späteren Entwicklungsstadien gibt es viele unscheinbare Fähigkeiten, die es zu entdecken und wertschätzen gilt. Mir fallen bei meiner Tochter (16 Monate) zum Beispiel auf, dass sie bei Türen und Schubladen die Finger vorher immer vom Rand nimmt, bevor sie sie schließt, oder dass sie bei dampfenden Gegenständen, wie Teetassen oder ein leuchtender Ofen, „heiß“ sagt und nicht sie anfasst – und das, ohne sich je zuvor eingeklemmt oder verbrannt zu haben. Sie weiß es einfach, das ist faszinierend. Es gibt unzählige, weitere Dinge, die ich an ihr immer wieder auf’s neue erstaunlich finde und diese Sichtweise hat mich viel geduldiger, zufriedener und einfach entspannter werden lassen. Ich vertraue darauf, dass mein Kind sich zu ihrer Zeit entwickelt, ich unterstütze sie dabei, ohne andauernd den nächsten Schritt herbeizusehnen.

Die Kindheit ist so magisch und es ist ein Privileg, mal inne zu halten und es wahrzunehmen, sich in die Lage eines Kleinkindes zu versetzen. Was nehmen sie wahr, was empfinden sie, was denken sie bei neuen Entdeckungen? Kinder geben uns Lebendigkeit in der reinsten Form, sie sind Lebendigkeit in Person.

Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.

– Prediger 3, 11 (Luther 2017)