Hi, irgendwie weiß ich nicht so ganz, wie ich diese ganze Geschichte beginnen soll. Ich habe noch nie zuvor einen Blog geschrieben und war ziemlich überrascht, als Sascha mich fragte, ob ich mir vorstellen könne, aus meinem Leben zu erzählen und wie ich Gott in meinem Alltag begegne.

Im ersten Moment war ich ein wenig schockiert, weil ich mir die Frage stellen musste, was Gott in meinem Alltag momentan eigentlich für eine Rolle spielt. Gern würde ich jetzt sagen, dass er stets die höchste Priorität in meinem Leben hat, doch oft sieht es anders aus. Als ich länger drüber nachdachte, gefiel mir die Idee mit dem Blog ganz gut. Tagebuch zu führen oder mir wichtige Gedanken aufzuschreiben liegt mir nicht sonderlich. Gleichzeitig ist mein Gehirn jedoch auch wie ein Sieb. Die Kleinigkeiten, die mein Leben so lebenswert machen, vergesse ich meist sehr schnell. Daher sehe ich diesen Blog als eine gute Möglichkeit, meinen Alltag immer wieder zu reflektieren, Fragen und Erkenntnisse festzuhalten und mir wieder mehr Gedanken über meine Beziehung zu Gott zu machen.
Vielleicht ist hin und wieder auch ein guter Gedanke für dich mit dabei.

Zu Beginn möchte ich gern ein bisschen von meiner Vergangenheit erzählen.

Ich bin in einem christlich sozialisierten Elternhaus als Sohn eines Pfarrers aufgewachsen, habe also die Geschichten über Gott von Kindesbeinen auf gelernt und hatte lange Zeit einen sehr starken, naiven Glauben. Je älter ich wurde, desto mehr fiel es mir aber schwer, diesen Glauben aufrecht zu halten. Im zweiten Jahr am Gymnasium kam ich in eine neue Klasse, wo ich der einzige christliche Junge war. In dieser Zeit habe ich zum ersten Mal erfahren, dass diese Selbstverständlichkeit, die der Glaube für mich die Jahre zuvor hatte, alles andere als normal war und dass viele andere sogar eine Abneigung dagegen empfanden. Ich wurde nicht wirklich akzeptiert und bekam regelmäßig von einigen Leuten zu spüren, wie wenig sie von mir und meinem Glauben hielten.

In dieser Zeit starb meine Uroma. Ich stand ihr nicht sehr nahe doch die Konfrontation mit dem Tod brachte meinen Glauben ins Wanken. Für mich war der Tod einfach nur Leid und Schmerz und ich konnte nicht verstehen, wieso Gott sich das Leben so ausgedacht hatte.
Ich verlor die Sicherheit, die ich noch wenige Jahre zuvor hatte und mein Glaube wurde mehr zu einer förmlichen Hülle. In der Schule wurden meine Leistungen immer schlechter und nach anderthalb Jahren wechselte ich vom Gymnasium auf eine Realschule. Dies war eine christliche Realschule, was aber nicht bedeutet, dass alle meine Klassenkameraden Christen waren. In diesem Umfeld fühlte ich mich zwar wohler, aber ich bekam trotzdem nicht die Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht, die ich mir von meinen Klassenkameraden wünschte.

Ich war der einzige Junge, der sich für Kunst interessierte, hatte einen Musikgeschmack, den niemand teilte und interessierte mich im Vergleich zu den meisten anderen nicht wirklich für Sport. Damit war es für mich schwierig mit Teil der Gruppe werden zu können, was mir aber enorm wichtig war. Die einzige Möglichkeit, von den anderen akzeptiert zu werden, sah ich in Partys und Alkohol. Ich versuchte an dieser Stelle meinen Freunden ebenbürtig zu sein um mir ihre Anerkennung zu verdienen und habe es dabei sehr häufig übertrieben.
In dieser Zeit hatte ich kaum was für Gott übrig, war aber dennoch ein Teil der Gemeinde. Ich spielte in einer Lobpreisband und engagierte mich in der Jugendarbeit, doch es bedeutete mir nie so viel, wie die Anerkennung der Leute mit denen ich auf Partys ging.
Ich war ein sehr unglücklicher Mensch, fühlte mich nicht verstanden und versuchte mir die Anerkennung und den Respekt, die mir so sehr fehlten, von meinen Geschwistern zu holen. Als Ältester hatte ich die nötige Macht und Kraft um meinen Willen durchzusetzen und meine Geschwister zu ‚unterdrücken‘, was das Verhältnis zu meiner Familie in dieser Zeit sehr belastete.

Durch mein Engagement in der Jugendarbeit hatte ich auch paar wenige Bekannte, die nicht in dieser Partyszene drin steckten. Einer davon wurde über die Jahre zu meinem Freund, obwohl wir nicht verschiedener hätten sein können. Wahrscheinlich lag es in erster Linie daran, dass wir beide irgendwie Außenseiter waren und uns dies verband.

Dieser Freund überredete mich dann eines Tages, ihn zu einer Freizeit im Schniewindhaus, einer Schwesternschaft, zu begleiten. Er war bereits schon einmal da gewesen und sehr angetan von der Atmosphäre und den Menschen. Zu dieser Zeit war mir die Vorstellung in ein ‚Kloster‘ o.ä. zu gehen eigentlich zuwider. Aber ich dachte, ich müsse mir zumindest selbst eine Meinung bilden bevor ich mich endgültig dafür oder dagegen entscheiden konnte.

Diese Freizeit brachte mich Gott ein ganzes Stück näher. Mir wurde mehr und mehr bewusst, dass Gott real ist und er mir nahe sein möchte. Diese Erkenntnis war an sich nicht wirklich neu, aber sie berührte mein Herz stärker als zuvor. Ich begann zu Silvester ins Schniewindhaus zu fahren, um das neue Jahr bewusst und mit Gott zu beginnen anstatt mich auf irgendeiner Party in Stimmung zu trinken.

Heute bin ich erstaunt, wie Gott mich über diese Zeit hinweg verändert hat und was seitdem aus mir geworden ist. Ich habe gelernt, mich nicht mehr so sehr an anderen orientieren zu müssen, bin selbstbewusster geworden und dankbar für meine Andersartigkeit. Was mich früher zum Außenseiter machte, ist heute ein wichtiger Bestandteil meiner Identität und ich freue mich, der Mensch sein zu können, der ich bin.
Auch was meine Familie angeht, habe ich sehr viel Heilung erfahren dürfen. Ich habe erfahren, wie Menschen verzeihen und sogar vergessen können. Heute kann ich meine Eltern und Geschwister als meine Freunde sehen und ich bin Gott jeden Tag auf’s Neue dankbar, dass ich in ihnen Menschen an meiner Seite haben darf, die mich mittragen und mir Kraft geben meinen Weg zu gehen.

Auch wenn ich heute noch Schwierigkeiten damit habe, Gott in meinem Alltag zu begegnen und mich frage, wie ich zu Ihm Beziehung haben kann, ist er für mich real und ich durfte in meinem Leben erfahren, dass er Veränderung schenkt. Auch dann, wenn man es eigentlich gar nicht erwartet und es einem vielleicht auch nicht wirklich bewusst ist, dass man auf seine helfende Hand angewiesen ist.

Liebe Grüße,
Claudius