„Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
– Benjamin Franklin
Ich habe lang das Ziel verfolgt, Kunst zu studieren, nur um dann, nach der dritten Bewerbung und anderthalb Semestern Studium feststellen zu müssen, dass dies nicht der richtige Weg für mich ist. Seitdem ich die Entscheidung traf, das Studium abzubrechen, habe ich mich lange Zeit gefragt, wie es weitergehen soll.
Die Jahre zuvor hatte ich immer einen Plan. Dieser gab mir den Antrieb und die Motivation, mich trotz der Absagen und Rückschläge immer wieder zu bewerben und mich immer weiterzubilden.
Nach dem Studienabbruch fiel ich in ein Loch und verlor jegliche Motivation, mich wieder mit Malerei und Grafik zu beschäftigen. Mir war nicht mehr klar, wie ich noch ein Jahr zuvor den Wunsch hegen konnte, Kunst studieren zu wollen, wo sie mir jetzt auf einmal so wenig bedeutete.
Damals entschloss ich mich dazu, ein Jahr Pause zu machen, bis sich alles wieder ein bisschen beruhigt hat und ich die Dinge wieder klarer sehen kann. Ich hatte keine Ambitionen für diese Zeit, außer ein bisschen Geld zu verdienen, um über die Runden zu kommen. Ansonsten wollte ich einfach nur Zeit und Ruhe haben. Und ich wollte mich der Herausforderung stellen, mir nicht direkt den nächsten Plan auszudenken, sondern mehr den Moment zu leben, zu lernen das Sein zu genießen und nicht zu viel über die Zukunft nachzudenken. Denn das hatte ich die Jahre zuvor sehr vernachlässigt.
Nun neigt sich die Auszeit langsam ihrem Ende. In den vergangenen Tagen und Wochen habe ich mir immer wieder mal Zeit genommen, um zurückzuschauen und zu rekapitulieren, was mich all diese Ereignisse lehren können. Mir sind dabei einige Dinge aufgefallen.
Ich bin in dem Jahr ruhiger und glücklicher geworden. Langsam finde ich auch zurück zur Kunst, jedoch mit dem Unterschied, dass ich jetzt mehr Leidenschaft habe. Früher wollte ich immer ein Künstler werden, weshalb ich sehr viel Zeit mit dem Lernen von Techniken verbrachte. Dabei stellte ich jedoch das Kunstschaffen immer hinten an. Dies half mir jedoch nicht wirklich, meinen eigenen Stil zu finden, sondern führte in erster Linie dazu, dass ich mich mit anderen verglich und abhängig machte. Das Studium war für mir nicht mehr wichtig, weil ich den Austausch suchte, sondern weil ich eine Rechtfertigung für mein Dasein brauchte. Mein Plan war es ein Künstler zu werden und dabei vergaß ich, einer zu sein.
Eine andere Sache, die mir auffiel ist, dass ich in den vergangenen Monaten wieder mehr auf Gott zugegangen bin. Langezeit war ziemliche Funkstille zwischen uns, doch mittlerweile merke ich, dass ich wieder mehr über ihn nachdenke und ihn häufiger an meinem Leben teilhaben lasse. Dies hat mich ein bisschen überrascht, denn gefühlt ist es ohne mein Zutun geschehen. Ich hatte nie den Moment, wo ich mir dachte: „Jetzt ändere ich mein Glaubensleben.“ Und dennoch hat sich etwas geändert.
Vor kurzem habe ich mich mal wieder mit einem Freund ausgetauscht. Wir hatten länger nichts voneinander gehört und erzählten uns, wie es uns in der vergangenen Zeit so ergangen war. Ich berichtete ihm von meinem letzten Jahr, davon dass ich mir gerade eine Auszeit nehme und versuche, mir nicht so viele Gedanken über die Zukunft zu machen, sondern den Moment bewusster zu leben. Daraufhin meinte er, dass er glaube, dass man Gott durch diese Art zu leben mehr Handlungsspielraum gibt und sich somit auch mehr von Ihm verändern lassen kann.
Dieser Gedanke schien mir ein bisschen wie die Antwort auf die Frage, warum ich mir Gottes Gegenwart wieder mehr bewusst geworden war. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sehr viel von der eigenen Leistung abhängt. Die Devise lautet: Bis zu einem gewissen Punkt mag das auch stimmen. Wer nicht aktiv wird, der wird auch nichts erreichen.
Ich musste jedoch feststellen, dass ich in diesem System Gefahr laufe, meine Pläne ohne Gott zu machen. Ich mache alles von meiner eigenen Leistung abhängig und lasse ihm nur wenig Gestaltungsspielraum. In den vergangenen Jahren habe ich sehr konsequent den Plan verfolgt, Kunst zu studieren. Doch je näher ich diesem Ziel kam, desto schlechter ging es mir damit. Letzten Endes bekam ich das Studium, nur um daran zu zerbrechen.
Ich habe das Gefühl, dass dies ein wichtiger Schritt war, auch wenn ich ihn mir gern erspart hätte. Wahrscheinlich bin ich nur dank dieser Erfahrung heute an dem Punkt, dass ich mich von meinen eigenen Plänen ein bisschen lösen kann und mehr Offenheit und Frieden habe. Und wahrscheinlich hätte diese Erfahrung früher oder später kommen müssen. Sonst hätte ich wahrscheinlich weiterhin verkrampft an den Plänen festgehalten, die sich in einer romantisierten Illusion begründeten.
Heute sehe ich die ganze Geschichte mit einem etwas klareren Blick. Ich hatte mit 18 Jahren den Wunsch Kunst zu studieren, weil ich zu diesem Zeitpunkt viel Potenzial darin sah und Lust hatte, mich und meinen Stil weiterzuentwickeln. Doch da sich mir zu diesem Zeitpunkt keine Chance bot, wurde mein Ehrgeiz befeuert und ich entwickelte eine Art Obsession.
Rückblickend habe ich das Gefühl, als hätte mein Leben vom Scheitern der ersten Bewerbung bis zu dem Moment pausiert an dem ich für das Studium zugelassen wurde. In dieser Zeit verlor ich mich auch im Lernen der ganzen Techniken und nahm mir wenig Zeit eigene Kunst zu schaffen. Ich dachte, dafür hätte ich noch genug Zeit, wenn ich erstmal studieren würde. Doch ich ließ die Tatsache völlig außer Acht, dass ich mich in einer Phase befand, in der sich die eigene Persönlichkeit und somit auch die Wünsche und Ziele noch sehr verändern können. Nur weil ich mit 18 Jahren eine Idee hatte, wie sich mein Leben gestalten könnte, heißt das noch lange nicht, dass ich drei Jahre später immer noch der gleiche Typ bin, für den dieser Wunsch noch genau so gilt.
Als ich dann die Zusage für das Studium bekam, fühlte es sich an, als würde man aus einem langen Schlaf erwachen und zum ersten Mal seit Langem merken, dass man nicht mehr die Person ist, die man war, als man einschlief.
Hätte ich damals nicht diesen unumstößlichen Plan gehabt, hätte ich nach 2 Jahren vielleicht gemerkt, dass mich das reine Kunststudium gar nicht mehr so sehr reizt. Und vielleicht hätte ich Gott dann mehr Raum gelassen und ihn gefragt, was er sich so für mein Leben gedacht hat.
Ich habe in meinem Leben schon häufig Situationen gehabt, in denen ich erst scheitern musste, um daraus zu lernen. Von daher glaube ich, dass im Scheitern selbst auch viel Segen liegen kann und dass Gott solche Situationen gebrauchen möchte um Korrekturen vorzunehmen. Doch man muss es nicht immer so weit kommen lassen. Es ist immer einfacher, Gott zu fragen, ob der Kurs den man gerade fährt, noch der richtige ist oder ob man dabei ist, sich zu verrennen. Ich glaube, wenn man dies tut und offen ist für Gottes Antwort, kann man sich viel Stress ersparen. Bei mir hat Gott eine Notbremse einwerfen müssen. Ich hoffe, dass ich daraus gelernt habe.
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