Seit einigen Wochen nehme ich immer mehr ein Gefühl von Enttäuschung in meinem Leben wahr. Immer wieder stelle ich fest, dass ich über größere oder kleinere Dinge enttäuscht bin. Mal ist es so, dass ein Tag nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe. Dass ich nicht so viel geschafft habe, wie ich mir vorgenommen hatte. Dass jemand anderes nicht so reagiert hat, wie ich es mir erhofft hatte. Oder es ist so eingetreten, wie ich es im Worstcase befürchtet hatte.
Ich stelle fest, dass ich an einem Punkt bin, vom dem ich hoffte, dass ich ihn schon überwunden hätte. Ich hatte gehofft in meinen Prozessen zu den Themen Leistungsdenken, Identität und Gottvertrauen schon weiter zu sein. Aber ich merke, dass ich nicht so weit bin, wie ich gehofft hatte. Und eine Zeit lang, konnte ich mir selbst etwas vormachen. Mittlerweile merke ich, dass es nicht so ist. Und es nervt mich, das zu erkennen. Denn ich will in dem Prozess weiter sein. Aber ich war nicht bereit, mich dem Prozess vollständig zu stellen. Ich würde gerne schon von dem berichten, was sein könnte. Aber stattdessen habe ich mich im Kreis gedreht. Jetzt bin ich wieder an dem Punkt, wo ich vorher war.
Und irgendwie gehört das ja ein Stück weit auch dazu. Es kommt selten vor, dass ich Prozesse einmal durchlaufe und danach ist alles tiptop. Eher braucht es mehrere Durchläufe oder Anläufe. Aber diesmal nervt es mich besonders.
Ich bin enttäuscht von mir selbst. Und gerne würde ich davor wegrennen. Denn zuzugeben, dass ich enttäuscht bin, fällt mir schwer. Es geht mit einem Gefühl des Versagens einher. Als hätte ich Erwartungen nicht erfüllt. Es hat nicht gereicht, eben das Leistungsdenken.
Ich habe eine bestimmte Vorstellung davon, wie etwas werden soll, wie ich mich entwickeln soll, wie jemand anderes sich verhalten soll. Dann kann es genauso kommen oder nicht. Wenn es nicht so kommt, dann entsteht Enttäuschung. Woher kommt die Enttäuschung? Ist der „Andere“ oder der Umstand schuld ist? Bin ich es? War das, was ich getan habe, nicht genug?
Dazu ein Beispiel. Nehmen wir mal an, dass ich ein bestimmtes Bild von Gott habe. Wie er ist oder wie er handelt. Wenn ich Gott vor allem als den liebenden Vater wahrnehme, dann kann es sein, dass ich mich mit Gott und seiner Rolle als Richter schwer tue. Vielleicht bin ich auch enttäuscht von ihm. Ich dachte zu wissen, wer er ist.
In dem Moment wird an dem Gottesbild gerüttelt. Es steht auf dem Prüfstand. Da kann man Unsicherheit empfinden, Angst oder auch den Sinn hinterfragen. Im Optimalfall wird das Gottesbild am Ende durch diese Krise erweitert und es kommt zu einem erweiterten und etwas vollständigerem Gottesbild. Ich weiß, wir werden Gott niemals ganz begreifen können und er lässt sich in keine Schublade stecken. Aber oft versuchen wir es halt doch.
Und wie mit Gott, so ist es auch mit anderen Dingen, wie mir selbst, anderen Menschen oder Situationen. Ich habe eine Vorstellung von etwas und glaube zu wissen, wie es werden wird. Doch am Ende kommt es vielleicht anders. Wie ich an Dinge herangehe und welche Vorstellungen ich habe, darauf habe ich mehr Einfluss als auf die äußeren Umstände, die ich nur sehr bedingt beeinflussen kann. Oft ist eben nicht der andere Schuld. Ebenso wenig liegt es an meiner Leistung. Sondern vielmehr an der Vorstellung, die ich hatte. Und ehrlich gesagt beruhigt mich das. Denn am Ende kann ich nicht immer das Ruder rumreißen. Und das macht die Enttäuschung ein wenig leichter. Aktuell zumindest wenigstens ein bisschen.
Weitere Texte
18. Oktober 2021
Hamster oder Roboter?
Letztens waren mein Verlobter und ich zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Ich…
28. Februar 2022
Im Kampf gegen die Riesen
Im Moment bin ich oft herausgefordert. Das mag ich auch, sonst fange ich an,…