Insbesondere in den letzten Jahre begleitete mich immer wieder die Sorge, dass ich von anderen Dingen abhängig sein könnte oder werde. Du fragst dich vielleicht: abhängig von was? Ich meine abhängig von Menschen und deren Zuwendung oder von Umständen.
Dabei wollte ich von einer Sache wirklich abhängig sein: Jesus. Nicht schlecht. Jedoch war es manchmal auch aus dem Motiv heraus, dass ich dann von nichts anderem abhängig sein muss.
Und ja, eigentlich ist man immer von etwas abhängig.

Toxische Beziehungen

Vielleicht wird es klarer, wenn ich dich mal kurz mit in meine Vergangenheit nehme. Als ich noch jung war, also mit 16 Jahren, hatte ich meinen ersten Freund. Rückblickend kann ich sagen, dass das eine toxische Beziehung war, von der ich sehr ungesund abhängig war. In der Zeit sank mein Selbstwertgefühl und ich isolierte mich von meinen Freunden und meiner Umwelt. Nicht falsch verstehen, ich bin noch weiterhin zur Schule gegangen, in meinen Sportverein und war auch Teil von Jugendgruppen. Aber dort war ich überall nur eher körperlich anwesend. Mir ging es physisch und psychisch schlecht, wenn mein Freund nicht in meiner Nähe gewesen ist. Doch wenn wir dann zusammen waren, habe ich mich viel einsam und alleine gefühlt. Und ja, es gab auch schöne Momente, besonders am Anfang der Beziehung. Aber größtenteils war ich einfach nur traurig und ängstlich.

Als die Beziehung zu Ende war, begann die eigentlich schlimme Zeit für mich, denn ich war ein Jahr lang wie auf einem kalten Entzug. Seitdem ich in Halle bin, habe ich begonnen, das alles ganz langsam zu verarbeiten. Zum Beispiel redete ich erstmals mit Menschen über das, was passiert ist. Gefühlt ist es so, dass umso mehr Zeit vergangen ist, ich merke, wie wenig ich wirklich verarbeitet habe. Da ich gerade geheiratet habe, wird das wahrscheinlich auch noch mal mehr getriggert. Aber so viel erst mal dazu.

Angst vor Abhängigkeit

Seitdem ist es so, dass ich jegliche Abhängigkeit immer mehr als für mich gefährlich einschätze. Das führte dazu, dass ich Menschen nur schwer ein Grundvertrauen entgegenbringen konnte und kann. Auch Freundschaften zu schließen fiel mir sehr schwer, da ich Angst vor manipulativem Verhalten meines Gegenübers hatte und dann Kontrolle über mich und meine Situation verlieren könnte. Dabei gibt es ja auch Abhängigkeiten, die gar nicht schlecht oder ungesund, sondern normal und sogar gesund sind. Aber genau diese Unterscheidung fällt mir sehr schwer. Ein kleines Beispiel:

Mir geht es grad nicht gut und mein Mann versucht mich zu trösten und aufzubauen.

Von außen betrachtet eine gute Sache. Wahrscheinlich würde auch niemand bestreiten, dass in dem Moment eine Abhängigkeit da ist. Ich sehe die Abhängigkeit auch und nehme sie aber erst mal als „gefährlich“ war. Vielleicht denke ich, dass es nicht gut ist, da es eventuell ein Indiz für eine ungesunde Abhängigkeit sein könnte. Verstehe mich nicht falsch. Von außen betrachtet weiß ich meistens auch, dass das eine falsche Perspektive ist. Aber in dem Moment, wo er mich tröstet, kommen die alten Emotionen und damit einhergehenden Assoziationen hoch. Und eigentlich hatte ich mir doch damals geschworen, nie wieder in so etwas hinein geraten zu wollen.

Leben in gesunden Abhängigkeiten

Und das Ding ist, das bin ich ja auch nicht. Ich lebe in keiner ungesunden Abhängigkeit.
In den nächsten Monaten möchte ich mehr lernen, gesunde und ungesunde Abhängigkeiten noch weiter unterscheiden zu können und die gesunden Abhängigkeiten für mich anzunehmen. Und wen wundert es, seitdem ich angefangen habe mit Menschen darüber zu reden, fällt mir das auch immer leichter, denn sie verstehen mich mehr und können mir helfen damit einen gesunden Umgang zu finden.

Von Jesus möchte ich immer noch abhängig sein, doch auch da fällt es mir immer wieder schwer, ihm einen Vorschuss an Vertrauen, dass er das Beste für mich möchte, entgegenzubringen. Aber ein „Hoch“ auf ihn, dass er treu ist und bleibt und dass er meinem Mann diese Ruhe und Geduld für all die Situationen und langen Gespräche gibt.