Manche Herausforderungen spielen immer wieder eine Rolle im Leben und wenn sie zur Seite gedrängt werden oder man sich damit arrangiert, kommen sie immer wieder auf.
Bei mir ist eine dieser Herausforderungen Menschenfurcht. Das ist irgendwie ein seltsames Wort, wenn man sich damit nicht beschäftigt hat. Ich lehne mich weit aus dem Fester, aber ich würde behaupten, kaum jemanden betrifft es nicht.
Da mein Vorsatz für dieses Jahr „Selbstsicherheit“ ist, komme ich nicht drum herum mich mit dem Thema Menschenfurcht auseinanderzusetzen, denn ein großes Ziel von mir ist, es immer mehr ablegen zu können.

Im Grunde ist Menschenfurcht, wenn man sich (zu viele) Gedanken darüber macht, was andere von einem denken. Es fängt schon damit an, wie man sich in der Öffentlichkeit verhält. Nicht zu auffällig sein, Haare und Kleidung müssen gut aussehen, nach dem Weg fragen nur, wenn der Handyakku wirklich leer ist…die Liste könnte ewig fortgeführt werden. Das mag ja alles noch im „normalen“ Bereich liegen, doch der Kern ist trotzdem Menschenfurcht. Denn wenn man gedanklich mehr bei „den anderen“ ist, passiert es schnell, dass man sich selbst vergisst.
Denken wir nicht viel zu oft darüber nach, was andere denken könnten? Ist das nicht absurd?

Menschenfurcht kann sich noch viel weiter durch das Verhalten ziehen. In Gesprächen, Gruppensituationen, Vorträgen etc. Wer kennt nicht den Gedanken: „Oh, was denken die anderen jetzt von mir?“ Meist hält man eine kontroverse Meinung zurück, um beliebt zu bleiben oder stimmt jemandem zu, ohne es wirklich zu meinen, nur um gemocht zu werden.
Ich finde es zB. unfassbar schwer um Hilfe zu bitten oder die Zeit von jemandem in Anspruch zu nehmen. Ich mache mir sogar Gedanken, was Fremde von mir denken. Das geht so weit, dass ich Telefonate meide, äußerst ungern zum Arzt gehe oder wenn ich im Geschäft nicht an einen Gegenstand im hohen Regal rankomme, gehe ich einfach weiter, auch wenn ich es wirklich gerne gehabt hätte und hoffe dabei, dass mich keiner beim Versuch ranzukommen gesehen hat. In der Uni war die Abgabe einer Hausarbeit für mich das Schlimmste, weil ich jedes mal Angst davor hatte, was die ProfessorInnen von mir denken könnten, wenn ich besonders viele Fehler gemacht habe oder alles keinen Sinn ergibt. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es wirklich komisch. Denn selbst wenn es so wäre, dass jemand komisch von mir denkt, so what!? Was ändert das wirklich?

In den letzten Monaten hatte ich sehr viele Situationen, in denen ich Entscheidungen treffen musste, die eventuell jemanden enttäuschen könnte, die aber für mich persönlich notwendig waren. Ich habe mehrere Dienste in der Gemeinde gemacht und einen Bereich geleitet. Nach der Geburt unserer Tochter habe ich schnell gemerkt, welche Dinge mir wichtig genug waren, um sie fortzuführen, parallel zum neuen Leben als Mutter. Doch ich habe mich richtig lange davor gedrückt gewisse Dienste sein zu lassen, weil ich niemanden hängenlassen oder enttäuschen wollte. Im Grunde hatte ich Angst, dass man schlecht von mir denkt, weil ich mein Wort nicht halte, faul wirke oder neben dem Muttersein nichts auf die Reihe bekomme.
„Nein“ zu sagen fiel mir schon immer schwer und deshalb hatte ich mir auch so viele Aufgaben und Projekte aufgeladen, als ich eigentlich schon genug mit meinem eigenen Leben zu tun hatte. Im Nachhinein „Nein“ zu sagen finde ich noch viel herausfordernder, doch auch das ist manchmal so wichtig.
Mich an meinen Vorsatz erinnernd, habe ich in letzter Zeit nach und nach den Schritt gewagt und bisher meist nur verständnisvolle, freundliche Reaktionen erlebt. Und in einer Situation war es nicht so und ich lerne dadurch, es von mir abzuschütteln und die riesige Last abzugeben der Dinge, die ich nicht zu tragen habe.
Ich habe es im Grunde so oder so nicht in der Hand, was andere (über mich) denken. Nur meine eigenen Gedanken kann ich kontrollieren und es ist mir gerade so wichtig genau diese Gedanken in gesunde, fruchtbare, geisterfüllte, lebendige Richtungen zu lenken und weg von den Anderen.

Ich bin zwar noch nicht am Ziel, aber ich bin sicher, dass ich nur freier und authentischer werden kann, wenn es mich nicht mehr beschäftigt, wie andere über mich denken. Ich muss mich nicht mehr anpassen, um gemocht zu werden. Ich muss mich nicht zurückhalten in Gruppensituationen.

Wenn mir jemand begegnet, der offensichtlich total bei sich ist und sich nicht darum schert, was die anderen denken, finde ich diese Person eigentlich immer sympathisch, interessant, authentisch, echt. Auch wenn die Person ständig sinnlose Sachen sagt, einen seltsamen Humor hat, über die Straße tanzt, viel zu laut und schief singt, oder bunte Kleidung trägt. Gerade dann! Es ist doch so erfrischend eine Person zu sehen, die frei sie selbst ist, oder? Dann lasst uns doch selbst diese Person sein.

Auf Gott vertraue ich und fürchte mich nicht. Was können Menschen mir schon antun?

– Psalm 56, 12 (NGÜ)
  1. Wie sehr beschäftigt es dich, was andere über dich denken?
  2. Kennst du Situationen, in denen du ganz frei bist davon?
  3. Wie fühlt es sich an, die Menschenfurcht hinter dir zu lassen?