Mit zarten 13 Jahren durfte ich das erste Mal an einer Jugendfreizeit in Schottland teilnehmen. Es war nicht so, dass damit ein jahrelanger Wunsch in Erfüllung ging; damals waren mir christliche Freizeiten – die in meiner sächsischen Heimat nach wie vor liebevoll ‚Rüstzeiten‘ genannt werden – eher ein bisschen suspekt.
Ich bin in einem lockeren und guten Verhältnis zur Kirche aufgewachsen, aber mit 13 Jahren wollte ich eigentlich den ganzen Tag nichts anderes machen außer Skateboard fahren. Dass ich trotzdem mit stolzgeschwellter Brust in den Flieger nach London stieg, um anschließend weiter mit dem Bus irgendwo in die schottische Pampa zu fahren, hatte einen ziemlich banale und typisch pubertäre Ursache: Das Mindestalter für die Teilnahme an der Freizeit lag eigentlich bei 14 Jahren. Aber irgendwie hatten es meine Eltern geschafft, den Freizeitleiter von meiner Frühreife zu überzeugen und ich durfte mit. Ich fühlte mich wie ein frisch gebackener 17 Jähriger mit Oberlippenflaum, der es das erste Mal geschafft hat, in einen Club ab 18 reinzukommen.
Dann geschah es an einem der letzten Abende der Freizeit: Ich bin Gott begegnet. Eigentlich passierte nichts, was total abgefahren und übernatürlich gewesen wäre. Die Leiter hatten einen kleinen Lobpreisabend organisiert, es hatte aufgehört zu regnen und wir konnten einen wirklich schönen Sonnenuntergang beobachten. Aber ich erlebte an diesem Abend zum ersten Mal, wie Gott in mein Leben trat. Ich spürte wie mir Jesus das Herz aufschloss für eine neue Wirklichkeit: Ich bin geliebtes Kind Gottes.
Heute begreife ich diesen Abend als den Startpunkt für meinen Glauben. Natürlich fiel dieser Glaube nicht einfach vom Himmel, natürlich hatte dieser Glaube eine Vorgeschichte.
Ich bin mit meinen Eltern relativ regelmäßig in die Kirche gegangen, ich war im Kindergottesdienst und ich habe sogar die Christenlehre besucht. Ich konnte Begriffe wie ‚Jesus‘ oder ‚Beten‘ halbwegs einordnen und das Vaterunser hatte ich fast auswendig drauf. Aber all das kam mir ein bisschen langweilig und inhaltslos daher; ich verstand nicht, warum das so wichtig für mich und mein Leben sein sollte. Bis zu jenem Abend.
Der entscheidende Ort des Glaubens ist die sich offenbarende Gegenwart Gottes. Dabei ist es nicht so, dass die Gegenwart Gottes durch den Glauben irgendwie hervorgebracht oder erst gebildet wird. Denn Gott ist ja schon da. Jeder Mensch existiert faktisch in der Gegenwart Gottes. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie wir uns zu dieser Gegenwart verhalten. Blenden wir sie aus, ignorieren wir sie, gehen wir an ihr vorüber; oder bleiben wir stehen, nehmen wir sie wahr, rechnen wir mit dieser Gegenwart?
Eine ehrliche Antwort auf diese Frage zu finden ist gar nicht so leicht. Denn wenn wir zulassen, dass Gott als lebendiges Gegenüber in unser Leben tritt, kann das unser Leben ganz schön durcheinander wirbeln. Wir sind dann nicht mehr selbst höchster Maßstab aller Dinge, sondern wir müssen uns neu in einem Beziehungsgeschehen zwischen dem Schöpfer aller Dinge und seinen Geschöpfen verstehen. Es gibt nicht mehr nur uns und unsere Welt, sondern es gibt dann plötzlich denjenigen, der dieser Welt und uns als Schöpfer gegenübertritt. Und selbst wenn wir das zugelassen haben, kann es passieren, dass all das über die Jahre zur kalten, abstrakten und leidenschaftslosen Theorie erstarrt.
Glaube ist nicht einfach. In Gottes Gegenwart zu existieren ist nicht immer leicht. Aber ich bin überzeugt, dass es sich lohnt. Denn Gott begegnet uns als liebender Vater, er nimmt uns als seine geliebten Kinder an, so wie wir sind; bedingungslos.
Wir müssen dafür nichts tun und wir dürfen diesen Glauben als Geschenk der schöpferischen und liebenden Gegenwart Gottes annehmen. All das eröffnet uns eine neue Sicht auf uns selbst, auf die Welt und schließlich auch auf Gott; eine Sicht die in allem was ist, pure Liebe erblicken kann.
Von dieser Liebe habe ich in Schottland das erste Mal gekostet. Und das hat mich umgehauen. Aber ich kenne diese Momente sehr gut, in denen sich Glaube erstarrt, kalt und leidenschaftslos anfühlt. Momente in denen sich Unglaube breitmacht, weil ich nicht mehr mit Gottes Gegenwart rechne und nur noch auf mich selbst schaue.
„I’ve tasted and seen of the sweetest of loves.
– aus dem Song Holy Spirit von Jesus Culture
Where my heart becomes free and my shame is undone.
In Your Presence Lord.“
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