Ein Versuch

Werde ich wieder schreiben können
und wird Sprache mich finden, wenn ich sie suche
müde Rufe ins Dunkle
und das Warten auf die Antwort
Stunde um Stunde langsames Ausharren
bis an kalten Fassaden
nur mein Echo bei mir ankommt.
Gescheiterte Fehlversuche
beim Einnorden meines Standorts
in der Sprachlosigkeit.
Hier sitzt es sich leicht.
Üb‘ mich darin, ihr irgendwie mächtig zu sein.

Vielleicht hast du Recht,
wenn du sagst, dass es mich braucht.
Dass jedes meiner Worte auch deinen Worten Gewicht verleiht.
Dass der Druck mit jedem gesagten Wort steigt,
ja vielleicht.

Aber wenn ich den Kopf im Anblick auf den Tag senke,
bleibt in Anbetracht von Tatsachen
mir die Sprache oft im Hals stecken.
Als könnten Worte alles verändern.
Als wären sie mehr als nur Worte
Brücken
Hände

Ich schreibe zusammen, was ich glaube, zu wissen,
bis mir die Buchstaben in meinen Händen zerfließen.
„Du hast es verdient, gesehen zu werden“,
kritzle ich kleinteilig meine Forderung
in der Hoffnung, du fändest Trost in meinen Worten
und ich auch.
Da ist so eine Ruhe übrig geblieben,
die uns irgendwie trotzdem in Frieden taucht.

Und anstelle, dass ich etwas gesagt habe,
ist heute nur wieder einer dieser Tage,
an denen Schweigen mir am sinnvollsten erscheint.
Weil du so oft viel besser als ich etwas zu sagen weißt
und neben deinen aufgereihten Sprachmonumenten
wirken meine gestammelten Satzfetzen so schrecklich klein.
Ich weiß, dass ich nichts weiß,
scheint viel zu oft mein Credo zu sein.

Stehe beschämt so oft daneben
mit dem Gefühl, da ist nicht viel zu geben
während du die Details in Kleinteile schneidest
irgendwie präsentierst
und seziert vor der Menge ausbreitest.
Und wenn du eh schon alles gesagt hast,
Was mach ich dann noch hier.

Ich sehe deine Arme.
Aneinanderreihung von Narben,
gesammelt von den Steinen,
die sie auf dich warfen.
Hassparolen gepresst in Wortfetzen
gerissen aus Schubladen, in denen sie dich steckten.
Und wenn sie weiter voller Wut hetzen,
und ich weiterhin daneben stehe
bleibt da nicht die Frage,
warum ich nur Steinen beim Fallen zusehe,
statt auch zu stehen.
Steine abfange, so gut es halt geht.

Vielleicht teilen wir dann deine Narben.
Vielleicht macht es die Sache etwas leichter zu tragen.
Vielleicht sitzen wir dann irgendwann zusammen,
so viele von uns,

und kein Stein kann uns mehr etwas anhaben.

Immer diese Sprachlosigkeit

Das Thema Sprache/Sprachlosigkeit beschäftigt mich schon sehr lange und bewegt mich auch sehr in meinem Alltag. Vor über einem Jahr habe ich angefangen, einige Texte darüber zu schreiben, und bis heute habe ich das Gefühl, mit diesem Thema immer noch nicht „durch“ zu sein, und so bleibt auch dieser Artikel nur eine weitere Momentaufnahme meiner Auseinandersetzung mit der Sprachlosigkeit. Die Sache ist nämlich die:  Ich fühle mich oft sprachlos. Das ist ein bisschen witzig in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich normalerweise viel und gern mit Sprache und Worten beschäftige und es wichtig finde, dass Menschen ihre Stimme nutzen. „Hey, du musst das unbedingt aufschreiben/ansprechen/sagen!“, empfehle ich gern anderen und finde es das Richtigste der Welt. Aber bei mir? Da kommt oft die Sprachlosigkeit um die Ecke gestapft, legt in allergrößter Ruhe ihren Arm um mich, und wir beide machen es uns gemütlich.

Sprachlosigkeit begegnet mir dabei in vielen Kontexten: sie begegnet mir mit Gott, weil ich das Gefühl habe, ihn manchmal nur schwer beschreiben zu können, ohne dass er dadurch von mir oder anderen in Schubladen gepackt wird. Sprache fühlt sich dann sehr einengend an, weil ich mit jedem Wort, das ich über ihn sage, gefühlt auch 1000 Dinge noch nicht gesagt habe. Und weil das frustrierend ist, versuche ich es gar nicht immer. Dazu kommt noch, dass es unter Christen oft eine Art christlichen Slang gibt, in dem über Gott gesprochen wird. Ich glaube, dass Außenstehende dem oft schwer folgen können und nicht verstehen, was wir damit meinen, wenn wir sagen: „Joar, und dann erfüllte uns der Heilige Geist mit seinem Feuer und wir waren voll des Lobpreises über Abba, unseren Vater, und er führte uns aus unserer Dunkelheit. Wie heiligend und reinigend und befreiend.“ Kannst du schon sagen, aber das hinterlässt halt bei vielen Leuten auch ein großes Fragezeichen. Und vielleicht sagen wir damit auch mehr Floskeln als das, was wir eigentlich meinen oder denken. Ich möchte neue Worte für das finden, was mich mit Gott bewegt, doch die Suche danach gestaltet sich oft schwierig und manchmal schweigsamer, als gedacht.

Sprachlosigkeit begegnet mir im Kontext politischer Debatten. Nicht, weil ich keine Meinung habe, sondern weil ich oft das Gefühl habe, andere können meine Meinung viel besser artikulieren und haben sowieso schon alles gesagt, also sage ich eher nicht so viel, weil ich das sowieso nicht so gut kann. Oder poste dank #blacklivesmatter hier und da mal was auf Instagram, und fertig. Und das fühlt sich so absurd an, denn sollte mich Ungerechtigkeit nicht gerade dazu bewegen, mehr zu sagen? Bleibt mir da Sprachlosigkeit nicht auch einfach mein Privileg, auf dem ich mich ausruhen kann? Hallo, Komfortzone. Hallo, Ignoranz.

Sprachlosigkeit begegnet mir im Kontext globaler Krisen, die mir manchmal so grausam und unüberwindbar scheinen, dass ich das Gefühl habe, dass meine Worte dem sowieso nichts entgegensetzen könnten. Denn mal ganz ehrlich: was ändert es im Jemen, wenn ich mich hier über die Situation dort beklage?

Zugegeben, viele dieser Fragen sind recht eindimensional gedacht. Denn natürlich sieht die Realität komplexer aus: Nein, es macht den Jemen nicht besser, wenn ich mich über die Situation dort oder unser Handeln als EU in Bezug zu dieser Krise beklage. Aber es schafft ein größeres Bewusstsein. Es gibt dem Thema einen Raum. Es bedeutet, dass ich mich an der Debatte beteilige. Das ist ein Schritt.

Das Problem sitzt eigentlich auch tiefer: Hinter meiner Sprachlosigkeit steht oft ein Frust. Ein Frust darüber, dass diese Welt sowieso schon zu kaputt ist, als dass das, was ich sage, noch irgendwo etwas wieder zusammenflicken könnte, und ob es reicht, etwas zu sagen, nur um sich gesellschaftlich zu positionieren, weiß ich oft nicht. Es fühlt sich zu belanglos an, und sowieso scheint mir die Welt zu laut, als dass sie daran interessiert wäre, mir oder irgendwem ernsthaft zuzuhören. Soll halt Gott sich da mal mit drum kümmern, weil das, was ich sage, scheint ja offensichtlich nicht auszureichen, denke ich manchmal frustriert. Und auch das ist recht eindimensional gedacht: ich glaube, Gott hat uns eine Mündigkeit gegeben. Das in Kombination mit unserer Sprachfähigkeit lässt auch viel Verantwortung bei uns, für Dinge zu sprechen und mit Sprache unsere Gesellschaft und Realität zu formen. Was ich in den letzten Wochen gelernt habe: manchmal ist dieses Formen viel kleinteiliger und mühseliger, als ich mir das vielleicht ausgemalt habe. Aber es ist trotzdem wichtig. Es ist ein Schritt. Oder viele kleine.

Wohin also mit unserer Sprache?

Wenn du zu den ‚Leisen‘ gehörst, so wie ich, dann: nach draußen. Steh‘ mal auf aus der erstmal-nichts-sagen-Ecke. Unsere Worte haben Einfluss. Und meine Erkenntnis aus den letzten Wochen ist die, dass ich meine Worte mehr nutzen möchte, weil ich glaube, dass Gott uns Stimmen gegeben hat, um – oh Überraschung – zu sprechen. In diese komische, vermurkste und gleichzeitig unfassbar schöne Welt hinein in der Hoffnung, dass auch in all dem Schönheit wohnt und wachsen kann. Ich glaube, dass Gott sehr in unseren Worten und Taten wohnt, und ich möchte dem Raum geben und mich weniger hinter Sprachlosigkeit verkriechen. Worte sind unser Schatz und ja, manchmal auch Brücken, Hände. Ich möchte neue Worte finden.