Hallo und Willkommen zur ersten Runde von Licht und Schatten! Ich bin Jasmin und werde ab jetzt alle vier Wochen donnerstags meine Gedanken und hier und da auch etwas Kunst mit euch auf diesem Blog teilen.
Hier soll es viel um meinen Glauben gehen und die Fragen, mit denen ich durch’s Leben laufe. Als ich mich mit 16 entschieden habe, Christ zu werden, war alles für mich ganz neu: Dieses Gefühl, dass es einen Gott gibt, und dass er real ist. Dass er mich sieht, liebt, und dass er einen Haufen gute Ideen für mich, mein Leben und überhaupt die ganze Welt hat. Ich war bereit für all das und ich wollte das volle Programm: Andere Menschen sollten diese Liebe auch erleben. Ich wollte Wunder sehen und all die Dinge, die in der Bibel eben so passieren. Ich wollte Veränderung.

Im Rückblick würde ich aber auch sagen, dass ich viele Dinge als sehr schwarz-weiß empfunden habe: Wenn ich nur richtig und viel bete, wenn ich viel Zeit in Gemeinde und christliche Events investiere, wenn ich aufhöre, die ‚falschen‘ Dinge zu tun, dann handelt Gott. Dann macht er die Dinge gut, greift ein und verändert sie. Christen passieren keine schlimmen Sachen und falls doch, haben sie vielleicht einfach nicht richtig und gut genug gebetet.

Ich habe oft Dinge gesagt und getan, von denen ich wusste, dass andere sie als richtig und christlich erachten, und weil es mir ein gutes Gefühl gegeben hat. Irgendwann bekam mein Bild vom Christsein und von Gott erste Risse: Als ein guter Freund eine schwere Depression bekam, die sich nicht ‚wegbeten‘ lies. Als ich zum Studium in eine andere Stadt zog und mehr und mehr Menschen kennenlernte, die mit verschiedensten Problemen kämpften, sodass „einfach mal schnell beten“ nicht reichte.
Mein Studium hat viele meiner Ansichten angefangen zu hinterfragen, sodass irgendwann für mich klar war: Leben mit Gott ist nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe. Mein Bild von Gott passt nicht mehr, und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, weiß ich gar nicht, wieviel Gott überhaupt in meinem Bild von ihm steckt.

Und hier stehe ich jetzt also – inmitten eines Haufens aus Komplexität und Fragen, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben.
Ich glaube, dass ich vieles nicht weiß. Und ich habe keine Lust mehr, Dinge zu sagen, nur weil andere mich dann für eine gute Christin halten. Da sind noch viele Fragen, Zweifel und Unverständnis – aber da ist auch das „große, trotzige Trotzdem“, wie Jelena Herder, eine befreundete Musikerin, immer sagt. Der Gott, den ich bisher wirklich kennengelernt habe, hat kein Problem damit, hinterfragt zu werden, und trotzdem in alldem da zu sein. Er hat mehr als genug Platz dafür. Ich weiß auch, dass ich trotzdem eine Nähe und Geborgenheit bei Gott erlebt habe und erlebe, die es sonst nirgendwo gibt. Deswegen möchte ich weiter unterwegs bleiben, auf der Suche nach dem wahren Kern von Gott, ganz ohne das schicke, religiöse Beiwerk aus Regeln, Ritualen und Verhaltensweisen.

Texte zu schreiben ist für mich oft eine Möglichkeit, Gedanken und Prozesse auszudrücken. Deswegen gebe ich euch zum Schluss noch ein Gedicht mit, das meine Fragen nach Gott glaube ich ganz gut widerspiegelt.

Brief an einen Unbekannten

Was, wenn ich dich nie gekannt hab?
Überflutet von der Frage
starre ich die Wand an.
Müdes Wandern entlang von Gedankenbahnen,
die sich als Endlosschleifen weiterer Fragen enttarnen.
Kein Ankommen, keine Antwort, wird hier zu meinem Anker –
was, wenn ich dich nie gekannt hab?


Schon so verdammt lang her, scheinbar,
dass alles irgendwie anders war.
Da das erste Treffen mit dem Kribbeln im Bauch,
da die ersten Schritte mit emporgehobener Faust,
war gut so. War Gehaltenwerden. War richtig.
War Anfang, war anfangen. War wichtig.
Dann die ersten Risse im Gefäß.
Und zwei Hände, die beizeiten
aufopfernd ihr Bestes geben, um das hier zusammenzuhalten.
Dort das große Dazwischen, das erste Mal das Nichts
Dahinter Weiterlaufen, ein Taumeln gegen den Strich.
Dann Trampelpfade, die zu Wegen wurden.
Erste Gerüchte, dass in alldem Suchen wohl auch irgendwie ein Segen wohne.
Wer weiß.
Am Ende bleibt
die eine Frage, die sich in den Kopf gebrannt hat –
was, wenn ich dich nie gekannt hab?


Ich schrieb dich in Bücher.
Zeichnete dich in Karten.
Verband die Punkte, die ich von dir kannte, mit zitternder Hand.
Heftete dich in aufgemalten Formen in den Atlas meiner Arroganz.
Hatte jemand eine Frage,
musste ich nur das Buch aufschlagen.
So lächerlich, die Seiten im Rückblick zu betrachten.
Scheint doch von dem, was dort geschrieben steht,
nicht mehr viel zu passen.
Warst du auf alten Fotos damals
nur verschwommene Silhouette?
Vielleicht hätte ich es merken können,
wenn ich nur hingesehen hätte.
Alles verliert Form und Farbe
und ich merke, dass das Angst macht –
was, wenn ich dich nie gekannt hab?


Was, wenn ich dich nie gekannt hab?

– Jasmin Brückner