Hallo und herzlich willkommen zu meiner letzten Kolumne bei keineinsamerbaum! Nach über einem Jahr Mitarbeit verabschiede ich mich aus dem Team und freue mich auf die nächsten Herausforderungen und alles, was da kommt. Für mich kommt dieser Schritt zu einer Zeit, zu der ich zunehmend priorisieren muss, in was ich meine Zeit hineingebe – und weil es sehr zeitaufwändig ist, geht diese Priorität gerade an mein Studium, das seit einem Jahr so einiges von mir fordert.

„Die letzten Jahre theologisch aufarbeiten zu müssen“

Zum Abschluss möchte ich euch gern in einen kurzen Rückblick über meine Zeit bei keineinsamerbaum mitnehmen: Als ich angefangen habe, hier zu schreiben, hatte ich sehr das Gefühl, die letzten Jahre theologisch aufarbeiten zu müssen. Wie oft unschwer zu lesen war, war da oft die Frage von „was ich (noch) glaube“, und was es heißen kann, Christ:in zu sein – fernab von festen Gemeindestrukturen- und kulturen. Da war Lustlosigkeit auf das, was ich als christlichen Verhaltens- und Regelkodex kennengelernt habe, da war viel Wut und Trauer über das was war, und der Wunsch, es anders zu machen.

Was „es anders machen“ heißt, das lerne ich immer noch. Eine neue Glaubenssprache zu finden, mich zu fragen, was ich eigentlich hinter bestimmten Begriffen vermute und ob ich das so wirklich glauben möchte; neue Formen zu entdecken – auf diesem Weg bin ich und möchte ich noch weiter sein. Ich entdecke und lese, probiere aus und verwerfe, und manchmal erhalte und restauriere ich auch Überbleibsel, die ich doch ganz gut finde und nicht weggeben möchte.

Etwas mehr Frieden

Was ich merke, was sich in meiner Zeit bei keineinsamerbaum verändert hat: meine Wut auf bestimmte Gemeindestrukturen und die christliche Subkultur ist weniger geworden. Stattdessen ist da etwas mehr Frieden und Selbstsicherheit. Für mich ist es immer noch ein Prozess, veränderte theologische Perspektiven gegenüber anderen zu rechtfertigen und mir zu erlauben, anders zu denken. Besonders schwer fällt es mir dann, wenn ich mit einer Person spreche, die sehr überzeugt von ihrer theologischen Perspektive ist und mir diese unter Umständen als einzige Deutungsmöglichkeit verkauft. Manchmal triggern mich solche Dinge noch.

Aber ich merke auch, dass sich mehr und mehr wunde Punkte schließen. Wie viele Gespräche auch nicht automatisch eine Schwere in mir auslösen, wie ich erlebe, dass ich mutig sein darf, wie ich nach und nach ein bisschen mehr (innere) Freiheit erobern darf. Ich mag dieses Gefühl.

Verlustperspektive

Ein Punkt aus diesem Jahr bewegt mich außerdem noch: Im Januar habe ich in einer Kolumne darüber geschrieben, ein Jahr auch mal aus der Verlustperspektive zu betrachten. Diese Perspektive hat mein Jahr tatsächlich bisher sehr geprägt und Verlust ist plötzlich als ein großes Jahresthema auf den Schirm getreten: Ein Todesfall in der Familie, fehlende Planungssicherheit in der Pandemie, ein gesundheitlicher Struggle, der vor ein paar Wochen angefangen hat – puh, bisher kam da einiges zusammen. Trotzdem fasziniert mich, dass das Thema so präsent war, bevor die Realität eingetreten ist und ich glaube, darin Gott zu erkennen.

Ein Grundgefühl von Hoffnung

Mit was ich nun weiterziehe, ist ein Grundgefühl von Hoffnung für alles, was kommt und alles, was war. Ich glaube, dass Gott tragen kann und hält. Das erlebe ich und es färbt meine Brille für den Alltag – zumindest an den meisten Tagen.

Ich hoffe, dass der eine oder andere Gedanke hier auch dich als Lesende:n beflügelt, ermutigt oder inspiriert hat – oder dich vielleicht auch geärgert und zum Nachdenken gebracht hat. Und mir bleibt nichts mehr, außer dir und euch zu wünschen, immer wieder Neues zu entdecken, im Zweifel auch mal den Zweifel zu Wort kommen zu lassen und weiter mit Gott auf dem Weg zu bleiben.