Hallo, das Thema dieser Kolumne ist etwas persönlicher. Eine Art Zeugnis. Ein Erlebnis, dass sich vor ca. 14 Jahre ereignet hat. Und ich stelle mal wieder fest: Ich bin alt geworden! *zwinker* Dass ich das aber bin, ist Gnade, wie ihr gleich lesen werdet.

Stellt euch vor, wir haben März! Kann man wahrscheinlich ganz gut, wenn man bedenkt: Bis gestern war ja noch März! Aber es ist März im Jahr 2004. Ich bin mit meiner damaligen Band ein Wochenende im Erzgebirge zum Proben, Chillen und Gemeinschaft-haben unterwegs. Draußen liegen die Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Der Schnee lag noch einige Tage zuvor meterhoch. Den Eingang zu unserer Hütte mussten wir uns noch freischaufeln. Aber jetzt, 3 Tage später, ist Tauwetter. Unter dem noch liegenden Schnee und Eis läuft das Wasser. Überall hört man es tropfen. Kleine Bäche haben sich entwickelt. Der Frühling ist unterwegs und sorgt dafür, dass der Winter an Kraft einbüßt. Die Straßen sind gut gesalzen und ‚eisfrei‘.

Es ist Samstagabend und dunkel, als eine kleine Delegation schon mal heim – Richtung Zwickau – fährt. Marco, mein Schlagzeugerkollege, sowie Micha und Jenny, sind mit unterwegs. Ich darf als Beifahrer in Marcos kleinem, alten roten 4er Golf sitzen. Wenig später biegen wir auf eine Landstraße Richtung Stollberg ab, als wir in eine kleine Senke fahren. Eine Schneewähe hat die Straße volle Breitseite erwischt. Das Heck des Autos bricht aus. Marco, unser Fahrer steuert gegen. Versucht zu bremsen und langsamer zu werden. Aber all das nützt nichts. Das Auto bricht aus und wir knallen frontal gegen einen Baum.

In meiner Erinnerung sehe ich diesen Moment noch genau vor mir: Der Baum hat den Motorraum komplett zusammengedrückt. Es ist schummriges Licht. Es riecht nach Airbags. Wir sitzen alle im Auto, als einer fragt: „Geht’s euch allen gut? Habt ihr euch was getan?“ Die Antwort, auch meine, war einhellig: Ja! Alles gut. Und wir versuchen auszusteigen. Auch ich. Doch ich merke, ich komme nicht raus. Der Baum hat dafür gesorgt, dass ich nicht mehr rauskam. Er blockierte meinen rechten Fuß und steckte fest. Schmerzen habe ich eigentlich keine, aber ein mulmiges Gefühl. Wie komme ich hier raus? Ich war verzweifelt. Ich probierte alles. Aber da war, ohne fremde Hilfe, nichts zu machen. Auch meine Freunde konnten absolut nichts machen. Aber: Sie kümmern sich um mich. Bringen mir eine Decke. Rufen natürlich die Feuerwehr, den Notarzt, rufen unsere Freunde, die nicht weit weg waren, an. Rufen meine Eltern an. Sie haben sich weniger getan, wie es scheint. Ein Schleudertrauma und ein paar Splitter vom Schiebedach haben sie abbekommen. Auf einmal kommt ein Arzt ‚zufällig‘ die Landstraße langgefahren und erkundigt sich bei mir, wie es mir geht. Er beruhigt mich. Sein erster Eindruck: „Nichts Lebensbedrohliches. Alles wird gut. Der Notarzt ist sicher gleich da.“ Alles klar!? Wenig später kam er mit Blaulicht. Und die Feuerwehr ebenso. Erst jetzt wird das Ausmaß deutlich. Ich werde mit Schmerzmittel versorgt. Und das Auto muss mit schwerem Gerät auseinander geschnitten werden. Das Dach muss ab. Die Seitentür. Ich muss aus meinem Sitz rausgeschnitten werden. Ich rede. Ich bete. Ich mache mir Gedanken. Was ist denn da los? Was bedeutet das alles? Wird mir das weh tun? Herr, wo bist du?

Ich erinnere mich noch, als mich der Notarzt mit einer schweren Dosis Schmerzmittel versorgt und zu mir sagte: Sie könnten beginnen zu lallen! Ich. 17 Jahre. In der Blüte meines Lebens. Sprachgewandt, wie niemand. Ich dachte, er verkauft mich für blöd. Und dann werde ich rausgehoben, auf die Trage gelegt, in den Notarztwagen gebracht. Und der Arzt fragt mich die typischen Fragen: Wie heißen sie? Wo wohnen sie? Etc. Ich bekomme nichts hin. Ich lalle! Gerade in dem Moment ruft mich mein Vater auf meinem uralten Handy an. Der richtige Zeitpunkt. Er macht sich direkt auf den Weg.
Wenig später komme ich im Krankenhaus an. Ab in die Notaufnahme. Meine Klamotten werden mir abgeschnitten. Buschi, mein Jugendpfarrer, darf leider nicht zu mir. Hätte ihn jetzt gerne hier gehabt. Aber ich merke, wie er und die anderen da sind. Sie beten. Reden. Hoffen. Ich werde untersucht. Mein Vater kommt dazu. Ich muss zum Röntgen. Werde an ihnen vorbeigeschoben. Daumen hoch! Mir geht’s wirklich nicht schlecht. Was Schmerzmittel alles so bewirken kann!

Dann kommt die Diagnose: Eine Knöchelverletzung. Ok. Echt? Nur? Nein. Noch viel schlimmer: Ein Oberschenkelbruch. Nicht offen – Gott sei Dank. Aber der Knochen ist genau in der Mitte durch. Ich werde direkt notoperiert. Der Magen muss noch ausgepumpt werden. Das Abendbrot ist nicht lange her. 6 Stunden OP. 2 Liter Blut verloren. Einen Nagel bekomme ich – an Becken und Knie verschraubt. Wache auf der Intensivstation neben einem Mann auf, der gerade einen Selbstmordversuch hinter sich hatte. Puh. Was für eine Situation! Ich bin schwach. Mein Körper mitgenommen. Trotzdem geht’s mir – Medi’s sei Dank – ganz gut. Nur müde. Und mein Kreislauf spielt verrückt. 2 Liter Blut sind nicht wenig. Aber ich bekomme keine Transfusion! „Sie sind doch noch jung.“ Ok.

In der Folge habe ich oft Besuch. Jeden Tag kommt jemand von der Band vorbei. Besonders Marco – der Fahrer – kommt oft vorbei. Unsere Beziehung wird immer besser in dieser Zeit. Er hat keine Schuld. Das hätte jedem passieren können. Er fuhr nicht schnell. Ein feiner Mann! Nach wie vor! Meine Eltern kommen natürlich jeden Tag. Meine Geschwister kommen. Meine Großeltern. Onkels. Tanten. Freunde. Ich liege 2 Wochen in der Klinik. Und habe kräftig Physiotherapie. Eine Muskelverhärtung schleicht sich ein. Das schmerzt. Ich kann das Knie nicht weiter durchdrücken. Aufstehen tut noch weh. Der Nachbar trinkt Bier. Im Krankenhaus. Ein seltenes Bild. Ich lese nicht so gern. Schaue lieber Fernsehen. Höre Musik. Doch dann, in einem zwischenzeitlichen Hoch (der Kreislauf machte mir echt zu schaffen…) schnappe ich mir meine damalige ‚Micky Mouse‘ Bibel. Eine knallbunte ‚Hoffnung für alle‘ Übersetzung, die ich bei mir habe. Und lese folgende Zeilen:

Ihr habt wohl vergessen, was Gott euch als seinen Kindern sagt: »Mein Sohn, wenn der Herr dich zurechtweist, dann sei nicht entrüstet, sondern nimm es an, denn darin zeigt sich seine Liebe. Wie ein Vater seinen Sohn erzieht, den er liebt, so erzieht der Herr jeden mit Strenge, den er als sein Kind annimmt.« Wenn ihr also leiden müsst, dann will Gott euch erziehen. Er behandelt euch als seine Kinder. Welcher Sohn wird von seinem Vater nicht erzogen und dabei auch einmal streng bestraft? Viel schlimmer wäre es, wenn Gott euch gar nicht erziehen würde. Dann nämlich wärt ihr gar nicht seine rechtmäßigen Kinder. Außerdem: Haben wir nicht unsere leiblichen Väter geachtet, die uns auch gestraft haben? Wie viel mehr müssten wir dann die Erziehung unseres göttlichen Vaters annehmen, der uns ja auf das ewige Leben vorbereitet. Unsere leiblichen Väter haben uns eine bestimmte Zeit nach bestem Wissen und Gewissen erzogen. Gott aber weiß wirklich, was zu unserem Besten dient. Denn wir sind seine Kinder und sollen ganz zu ihm gehören. Natürlich freut sich niemand darüber, wenn er gestraft wird; denn Strafe tut weh. Aber später zeigt sich, wozu das alles gut war. Wer nämlich auf diese Weise Ausdauer gelernt hat, der tut, was Gott gefällt, und ist von seinem Frieden erfüllt.

– Hebräer 12, 5b-11 (Hoffnung für alle)

Vielleicht denkst du dir, wenn du diese Verse liest: „Wie zynisch und rücksichtslos ist denn dieser Gott? Wie jetzt – seine Kinder strafen? Sie schlagen? Wie jetzt? Meint der das ernst? Der Gott der Liebe? Ich fasse es nicht!“ Auf meine Situation bezogen klingt das auch sehr martialisch. Krass. Eben enorm zynisch. „Das alles ist passiert, damit du bestraft wirst, mein Sohn!“
Aber was diese Verse in meiner Situation damals in Stollberg im Krankenhaus mit mir machten, war etwas ganz anderes. Ich fühlte mich überführt. Ich schaute auf mein Leben und sah, wie nichtig viele Dinge waren, die ich tat. Gut, ich war ein ‚guter‘ Mitarbeiter. Machte Jungschar, Teeniekreis. Viele Lobpreisbands, bei denen ich mitspielte. Aber in meiner Gottesbeziehung sah es echt mau aus. Mein Leben orientierte sich am frommen Superleben!
Ich folgte Programmen nach. Meinen Gaben folgte ich nach. Sogar meiner Berufung folgt ich nach. Allen folgte ich nach. Aber nicht Gott. Ich spürte, dass dieses Ereignis, mein Leben verändern sollte. Ich war bekehrt, fromm, christlich sozialisiert oder wie man bei uns oft sagte: „Getauft, geimpft und konfirmiert.“ Aber ich folgte nicht Jesus nach. Und dann dieser Unfall. Diese Worte. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich darauf kam den Hebräerbrief zu lesen, denn wirklich viel Bibel las ich in der Zeit eigentlich nicht. Aber diese Worte saßen! Bumm!

Ich wusste aber: Das alles war passiert, damit Jesus wieder Herr in meinem Leben wird. So schmerzhaft – und das war es wirklich – es auch in dem Moment war. Ich habe gelernt auf ihn zu sehen und die Dinge zu tun, die er möchte, dass ich sie tue. Ein Bruch im Leben. Zerbruch. Und darauf folgte bei mir Aufbruch.
Ich weiß, für manchen von euch mag das klingen, wie eine happy-clappy-Hollywood Geschichte. Nach dem Schema: „Erst war es schlimm. Dann wurde es noch schlimmer. Dann passierte irgendwas mit Gott und am Ende waren alle glücklich.“ Ich kann das verstehen. So einfach ist das Leben wirklich nicht. Das glaube ich auch nicht. Aber was mir diese Geschichte gezeigt hat, war: Gottes Wort ist lebendig. Es spricht in unsere Situation. Und ja, zu unterschiedlichen Zeiten kann es uns etwas anderes bedeuten. Das ist der Kern, den ich dir mitgeben möchte.

Nur noch ganz kurz zu der Geschichte und was darauf folgte: Meinem Oberschenkel geht es heute super. Ich habe keine Probleme damit. Die Knöchelverletzung macht mir mehr zu schaffen – aber auch, weil ich dort schon andere Verletzungen davor und danach hatte. Und: Marco konnte mit dem Geld, was er für das Autowrack erhalten hat, sein Studium zu Ende finanzieren. Ja, Happy End. Aber manchmal steht am Ende einer Geschichte auch ein Happy End. Und ich bin Gott unendlich dankbar, dass er die Geschichte so gelenkt hat. Meine Beziehung wurde erneuert und er hat mich damals wieder auf den Weg mit ihm gemeinsam zurückgebracht. Und er hat mich bewahrt: Was hätte alles passieren können? Bei einem Autounfall!?
Ich hoffe, die Geschichte ermutigt dich, auch wenn du durch eine schwere Situation gehst, nicht am Wort Gottes zu zweifeln oder es außen vor zu lassen. Und die Hoffnung (ein rundherum nur positiver Begriff!) nicht aufzugeben. Dann wirst du auch im Wort und in deinem Leben eine ganz neue Tiefe erleben.

Machts gut und auf bald!
Liebe Grüße,
Lukas