Wir sind mittlerweile beim 5. Teil angelangt und damit ist das der letzte Teil der aktuellen Evangeliumsreihe, der über ein biblisches Buch geht: Das Johannesevangelium.
Für viele Menschen ist dieses Buch ihr Lieblingsevangelium. Man hört immer wieder, dass man beim Bibel lesen „mit dem Johannesevangelium“ beginnen soll. Und zugegeben: Es ist sehr anders, richtig gut zu lesen und führt einen relativ schnell in die Welt von Jesus ein. Und trotzdem hat es eine enorme Tiefe und Weite!

Doch zuerst mal die Frage: Wer ist denn eigentlich Johannes? Im Buch selber steht, wie immer, kein Autor. Aber eine Person bekommt einen besonderen Titel, nämlich „der Jünger, den Jesus lieb hatte“! Das ist schon besonders. Es wird davon ausgegangen, dass dieser ominöse Jünger nicht nur das Buch geschrieben hat, sondern auch Johannes hieß. Es war aber nicht Johannes der Täufer (der ja vor Jesus starb), sondern entweder Johannes, der Sohn des Zebedäus – also einer der 12 Jünger. Oder Johannes der Presbyter. Mancher würde sagen, dass es Johannes von Patmos ist (der die Offenbarung geschrieben hat). Oder, oder, oder.. Es bleibt am Ende ein Typ, der Johannes hieß und ein einzigartiges Werk geschrieben hat.

Warum einzigartig? Nun, das Johannesevangelium schreibt in einer Art und Weise über Jesus, dass ich total baff bin, wenn ich darüber nachdenke. Johannes startet sein Buch mit einem philosophisch-anmutenden Gedicht: „Am Anfang war das Wort..“ (Johannes 1,1) Das ist schon herausragend. Johannes hat einen klar strukturierten Aufbau, was besonders an den Zahlen vier und sieben deutlich wird (dazu gleich mehr). Er lässt Jesus in Situationen erscheinen, die wir so von den anderen drei Evangelien überhaupt nicht kennen. Und trotzdem hat er in der Wortwahl eine unfassbare Weite und Tiefe, die uns dadurch auch Jesus in ganz besonderer Art nahebringt. Der Grund, warum er das Buch geschrieben hat, sagt er uns gegen Ende selbst:

Diese [Zeichen] aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen!

– Johannes 20, 31 (Lutherbibel 2017)

Ein Hammervers! Johannes will zeigen, dass Jesus kein Lehrer unter vielen ist; dass Jesus der Sohn Gottes ist und wir durch Glauben an ihn das Leben haben! Und wir dürfen an ihn glauben. Er gibt uns zumindest jeden Grund dafür.

Kommen wir mal zum Aufbau des Buches! Es hat im Grunde zwei große Teile: Kapitel 2-10 und 13-20. Umrandet von Kapitel 1 (Prolog), Kapitel 12 (Übergang und Ausblick) und Kapitel 21 (Epilog). In Kapitel 1 beginnt mit dem „Logos“-Gedicht. „Am Anfang“ sind genau die gleichen Worte, wie in 1. Mose 1, 1 steht – also dem allerersten Vers deiner Bibel. Gott ist dort der Schöpfer, der redet und es entsteht diese Welt. Wunderschön.
Und auch hier ist es so, dass Gott spricht. Und sein Wort wurde Mensch. Das wird damit gesagt. Dieser Mensch ist Jesus. Und was weiter ausgesagt wird, ist ein Stück Heilsgeschichte: Gottes Herrlichkeit hat man durch Jesus gesehen (Verweis auf die Stiftshütte) und Jesus ist nichts weniger als Gottes Sohn! Da kann man schon mal ein Ausrufezeichen setzen! Johannes stellt das ganz bewusst an den Anfang des Buches. Er stellt damit sozusagen eine These auf, die er in der Folge beschreibt, verteidigt und zu einem Ziel führt! Wer dieses Buch liest und begreift, dass es stimmt, wird verstehen, dass Jesus wirklich Gottes Sohn ist. Und dass das auch mein Leben ganz persönlich beeinflussen wird. Das wird auch deutlich, wenn ich Kapitel 1 bis zum Ende lese. Jesus bekommt einige Titel zugesprochen: Lamm Gottes, König von Israel, Menschensohn, Sohn Gottes, Jesus von Nazareth, Rabbi, Messias! 7 Titel! Und ganz schön viele Vorschusslorbeeren!

In den 1. Großen Teil des Buches (2-12) finden wir eigentlich durchgehend ein Prinzip. Jesus macht etwas (Wunder, Tempelreinigung), sagt oder behauptet („Ich bin..“) etwas! Und die Leute müssen darauf reagieren. Und die Reaktionen sind unterschiedlich. Manche folgen Jesus nach, bei manchen bleibt die Reaktion unentschieden und manche lehnen ihn ab. Sogar so sehr, dass sie ihn am liebsten umbringen würden.

Kapitel 2-10 ist jeweils in zwei große Hälften à 4 Teile unterteilt. In 2-4 geht es um 4 israelische Bräuche und 5-10 um 4 israelische Feste. Die 4 Bräuche umfassen eine Hochzeit (2a – hier zeigt sich, wie großzügig das Reich Gottes ist), den Tempel (2b – Jesus ist die Erfüllung, auf die der Tempel hinweist), einen Rabbi bzw. Lehrer (3 – Israel braucht mehr als einen neuen Lehrer: Israel braucht ein neues HERZ!) und einen heiligen Brunnen (4 – Ich hab Wasser des ewigen Lebens. Wer von mir trinkt, wird nie mehr Durst haben!).
Nach diesen 4 Bräuchen kommt Jesus zu den 4 Festen: Jesus heilt am Sabbat (5) und sagt, dass sein Vater (also Gott) ständig am Arbeiten ist. Und er auch! *zwinker* Jesus sättigt (6) zum Passafest 5000 Leute, vollbringt größte Wunder und wird doch abgelehnt. Weil er einen exklusiven Anspruch hat: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten!“ In Kapitel 7-10a ist er beim Laubhüttenfest in Jerusalem und macht den Leuten deutlich: „Ich bin das Licht der Welt!“ Und zum Abschluss ist er beim Chanukahfest und erklärt den Leuten: „Ich und der Vater sind eins!“

Was ich jetzt so bruchstückhaft erklärt habe, ist in Wirklichkeit viel besser und runder. Aber es wird klar: Jesus geht volle Bude auf die Leute zu und konfrontiert sie mit geistlichen Wahrheiten. Jesus macht hier klare Kante und das provoziert – erst seine damaligen Hörer und genauso mich. Und die Frage ist an mich und dich selbst: Wie reagieren wir?
Das Fazit der Gegner Jesu am Ende von Teil 1 ist: Jesus muss sterben! Er muss weg. Er stört. Er soll hier nicht mehr sein und unsere heile geistliche Welt hinterfragen und unterbuttern.
Dabei macht Jesus das nicht nur als klarer Auftragsempfänger Gottes, oder als jemand, der Streit und Diskussion sucht. Sondern als liebevoller, aber klarer Christus, der die Spreu vom Weizen trennt. Jesus wird ganz persönlich und stellt mir und dir die harten Fragen. Und seine Gegner wollen ihn beseitigen. In Jerusalem. Für Jesus ist daher auch klar: In Jerusalem wartet der sichere Tod auf ihn. Aber was macht er?

Als sein Freund Lazarus stirbt, geht er genau dorthin. Aus Liebe! Und erweckt ihn von den Toten! Und weißt, er wird genauso sterben. Jesus sagt an der Stelle eines seiner 7 „Ich bin“ Worte, die eine klarer Verbindung zum Namen Gottes bilden (Jahwe als der „Ich bin für dich/euch da“ bzw. „Ich werde für dich/euch da sein“Exodus 3). Jesus sagt hier:

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?

– Johannes 11, 25-26 (Lutherbibel 2017)

Das fragt er tatsächlich im Anschluss an diesen berühmten Vers. Und obwohl er es Marta, die Schwester von Lazarus, fragt, ist die Frage auch an dich gerichtet: Glaubst du das?

Danach zieht Jesus in Jerusalem ein und wir haben die klassischen Ostererzählungen, genauso wie in den anderen Evangelien. Aber gleichzeitig ist sie wieder ganz anders! Denn anstatt mit den Jüngern Passamahl, das sonst zum Abendmahl wird, zu feiern, macht Jesus etwas total Schockierendes: Er wäscht die Füße der Jünger! Er, der Größte, wird zum Diener. Wow! Was für ein Gott. Danach hält Jesus für die Jünger seine große Abschiedsrede. Diese in wenigen Sätzen zusammenzufassen, würde ihr alles andere als gerecht werden. Daher würde ich dir raten: Lies sie selbst! Dort finden wir viele Themen, wie Nächstenliebe, Friede in Christi, der Heilige Geist, der wahre Weinstock, Widerstand, den wir erfahren werden.. und, und, und. Es ist ein wunderschöner Teil, der ganz viel von dem, was Jesus seinen Jüngern und auch uns hinterlässt, berichtet. Und er schließt mit einem langen Gebet ab! Jesus redet mit seinem himmlischen Vater und betet für dich und mich. Was er sagt? Kapitel 17!

In Kapitel 18 sind wir bei Ostern angelangt. Und es beginnt damit, dass Judas Jesus verrät und die Soldaten nach Jesus fragen. Und Jesus antwortet an der Stelle (Johannes 18, 5): „Ich bin’s“. Die 7 „Ich bin“-Worte habe ich oben schon erwähnt. Und hier wird deutlich: Alle „Ich bin“-Worte münden in der „Ich bin“-Tat am Kreuz. Jesus ist das alles, ja, aber er ist noch mehr. Ich kann das kaum in Worte fassen, wie sehr mich das berührt! Vor allem, wenn man liest, wie es weitergeht!

Jesus kommt vor Pilatus, der es ernst nehmen muss, wenn jemand behauptet: „Ich bin der König der Juden!“ Jesus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ und er setzt damit sein Reich ein, dass diese Welt komplett auf den Kopf stellt! Er sagt im Grunde, dass sein Reich FÜR diese Welt ist, aber nicht VON dieser Welt geprägt ist. Jesus macht nichts anderes, als sich vom Bösen überwinden zu lassen, um das Böse zu überwinden. Der Satz ist ein wenig komisch und klingt allzu formelhaft, ich weiß. Und so etwas Weltbewegendes in einen Satz zu drücken, entspricht überhaupt nicht der Tiefe und Weite, die diese Tat mit sich bringt. Aber: Er macht deutlich, wie gegensätzlich Jesu Tat zu dem ‚Etablierten‘ war. Und wie sehr seinen speziellen Akzent dazu gibt. Denn Jesus triumphiert durch seine Tat am Kreuz in einer Liebe & Selbst-Hingabe, dass die Botschaft wirklich alles auf den Kopf stellt. Johannes macht das in seinem Evangelium (wie die anderen auch) sehr gut und in seiner Weise deutlich.

Und am Ende zielt alles auf das eine, abschließende Highlight, der Höhepunkt des Buches, hin: Die Auferstehung Jesu. Jesus erscheint – nach seinem Tod – Johannes (also dem, den Jesus lieb hatte..), Petrus, Maria Magdalena und später auch den anderen Jüngern. Sogar Thomas (Johannes 20, 24-30). Ihm in ganz besonderer Weise und für uns heute gut übertragbar. Thomas hatte völlig nachvollziehende Zweifel daran, dass Jesus wirklich lebt. Und als er damit konfrontiert wird, kann er es nicht glauben, bis, ja bis, Jesus selbst sich ihm zeigt. Jesus bläst seine Jünger an und gibt ihnen den Heiligen Geist weiter und macht damit deutlich, dass es nach ihm weitergeht. Kapitel 20 bildet den äußeren Rahmen des Johannesbuches mit der Auferstehung. Man könnte jetzt denken, dass es das war und fertig. Aber es geht weiter.

In einem letzten Kapitel (21) erleben wir die Jünger nach der Auferstehung. Jesus kam immer mal wieder mit den Jüngern zusammen, aber er war nicht dauerhaft bei ihnen. Und: Die Jünger wussten nicht genau, was jetzt dran ist. Wie geht’s jetzt weiter mit unseren Leben?
Und hier erleben sie einige erstaunliche Dinge. Sie erleben ein Fischwunder, indem sie fischen gehen und so viel fangen, dass das Boot fast untergeht. Diese Geschichte erinnert an den Fischfang des Petrus, den Jesus dafür nutzt, um ihm seinen Auftrag zu geben: Du sollst Fische fangen! Johannes verarbeitet diese Geschichte also am Ende des Buches, um den Auftrag klar zu machen. Sicherlich hatte er dabei die andere Geschichte im Blick. Aber es geht noch weiter. Jesus spricht nicht nur eine Berufung für alle aus. Und Jesus macht nicht nur Frühstück (mit Fisch am Lagerfeuer), sondern beruft Petrus in seine spätere Rolle als erster Leiter der Gemeinde. Und Jesus beruft Johannes, also den Jünger, den er lieb hatte, zum Zeugnisgeber für das, was er mit Jesus erlebt hat. So endet dieses Buch.

Was mich an diesem Buch so fasziniert, ist, dass es ganz anders ist als die anderen, aber der ganzen Geschichte um Jesus eine noch tiefere und weitere Perspektive gibt, die mein Bild von Jesus bereichert. Und Johannes hat eine so wunderbare Sprache, die mich echt abholt und mitnimmt. Ja, Johannes mag ich einfach. Und ich kann dir nur empfehlen: Lies dir das Buch mal durch!

Achja, ein ‚Funfact‘ habe ich noch: Johannes nutzt in seinem Buch den Wortschatz eines Kleinkindes. Wie geil, wie dicht, wie komprimiert, ist das denn!?

In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen von Johannes!

Segen-Regen, euer Lukas!