Ich bin nicht stolz, das habe ich früher zumindest gedacht. Stolz sind nur Leute, die wirklich eine überhebliche und abweisende Art ausstrahlen. Sie sind distanziert und meinen, dass sie was Besseres seien. Sie urteilen hart und machen andere Menschen runter, um sich selbst besser zu fühlen.
Insgeheim freuen sie sich darüber, wenn es anderen Menschen nicht so gut geht, denn dann fühlen sie sich selbst besser. Sie denken, dass andere Menschen ohne sie nicht klarkommen würden, dass ohne sie die Welt so nicht funktionieren kann und sie unersetzbar sind.
Nur sie können bestimmte Aufgaben tun, Gespräche führen oder Ämter füllen. Sie wollen sich nicht mit Menschen abgeben, bei denen sie denken, dass sie weniger wert seien. Deswegen strahlen sie auch manchmal so eine Distanziertheit aus.

Unsicherheit geht dem Stolz voraus

Stolz sind nur die anderen Menschen, aber nicht ich. Oder doch?
Im Rückblick weiß ich, dass ich mit den eben aufgezählten Dingen mich selbst beschreibe. Wie konnte ich das so lange nicht sehen? Denn im Nachhinein finde ich es recht offensichtlich. Vielleicht weil ich wusste, dass ich nicht wirklich so toll bin, wie ich mich immer dargestellt habe oder sein wollte.
Tief in mir wusste ich eigentlich, dass ich sehr unsicher bin. Unsicher über mich selbst. Über das, wer ich bin, was ich kann, was ich nicht kann und ob ich angenommen bin. Ich stelle bei mir selbst immer wieder fest, dass Unsicherheit dem Stolz meistens vorausgeht.
Warum will ich denn unbedingt besser sein als andere? Weil ich weiß, dass ich es nicht bin. Viel mehr denke ich, dass ich schlechter bin als andere. Da ich diese Unsicherheit aber auf keinen Fall mir selbst eingestehen und anderen zeigen möchte, fange ich an zu kaschieren. Das kennst du vielleicht auch von dir. Und plötzlich ist man aus dem einen Extrem ins andere gelangt und dauerhaft immer ein bisschen drüber und stellt sich als etwas dar, wer man nicht ist.

Gott braucht mich nicht

Vor einigen Monaten stellte ich fest, wie sehr das bei mir verankert ist und welche Auswirkungen das in meinem Alltag hat. Es ist nicht nur die Tatsache, dass stolze Menschen manchmal ganz schön unangenehm und falsch (auch, wenn man das nicht immer sieht) sein können. Sondern es steht zwischen mir und Gott. Denn am Ende führt Stolz dazu, dass ich mich nicht nur über andere Menschen erhebe, sondern auch über Gott. Ich meine die Dinge besser zu wissen, kontrollieren und machen zu können als Gott. Da kommt dann der Gedanke, dass Gott mich brauchen könnte. Was für ein Unfug! Er braucht mich nicht, um Dinge bewirken zu können. Gott möchte mit mir zusammen durch das Leben und die Welt gehen, aber nicht, weil er das nötig hätte, sondern weil er mit mir zusammen sein will.
Ja, ich bin geliebt von ihm und wertvoll in seinen Augen. Aber er braucht nicht mein Handeln und Denken, um klarzukommen. Und genau das steht dann zwischen ihm und mir und führt unsere Beziehung in eine Schieflage.

Identität in Gott

Wenn ich mich dafür ihm unterordne und wirklich auf der Suche nach seinem Willen für mein Leben bin, dann nehme ich meinen Platz ein. Ich bin sein geliebtes Kind und er der liebende Vater. Das Kind steht nicht über dem Vater und der Vater weiß, was dem Kind gut tut und möchte das Beste für das Kind. Ich bin nicht besser als andere Menschen, aber eben auch nicht schlechter.
Wenn ich diesen Platz immer wieder bewusst einnehme, dann hat das nichts mit dem Stolz zu tun, sondern viel mehr mit Demut. Denn dann weiß ich, wer ich bin, und lebe in dieser Gewissheit. Dann habe ich es auch nicht mehr nötig, mir die Annahme durch ein Darstellen meiner selbst zu holen und kann zu meinen Macken und Schwächen stehen. Denn ich weiß, dass ich schon längst angenommen bin.