Während unseres Urlaubes haben wir immer mal wieder bei Leuten übernachtet, die wir nicht kannten. Wie heißt es so schön: „Airbnb – Weltweit zu Hause“. So weit würde ich jetzt nicht gehen. Dennoch haben wir einen kleinen Einblick in die Welt anderer Menschen erhalten dürfen und uns dabei wohl gefühlt.

Offene Türen

Eine dieser Übernachtungsmöglichkeiten hat mich beeindruckt. Wir kamen mit dem Fahrrad in einem kleinen Ort in Holland an – und unser Gastgeber hatte darum gebeten, ihn anzurufen, wenn wir da sind. Gesagt – getan. Wir standen vor seinem großen Lehmhaus, eingebettet in der Natur mit vielen Bäumen, einer kleinen offenen Holzwerkstatt und nahe am Wattenmeer. Anders als bei den anderen Airbnb-Übernachtungen war diese Unterkunft eher eine Art Gemeinschaftsunterkunft. Wir hatten ein separates Zimmer auf dem Dachboden – andere Räume wie Küche und Bad waren Gemeinschaftsräume. Eigentlich nicht so mein Ding – für drei Tage aber gerade noch machbar in meiner Vorstellung.
Ich rief ihn (Frits) an und er sagte, wir sollen in sein Haus kommen – die Tür sei offen. Da ich davon ausging, dass er drin wartete, legte ich gleich wieder auf. Drinnen schaute ich mich im Flur und im Wohnzimmer um –keiner war im Haus. Ich also wieder ans Telefon und da sagte mir Frits, dass er kurzfristig einige Tage nicht da sei. „Fühlt Euch aber wie zu Hause. Die beiden Zimmer hinter dem Wohnzimmer sind meine privaten – die bitte nicht. Sonst könnt ihr alles so nutzen wie ihr wollt. Ihr könnt auch gerne in den großen Yogaraum gehen und euch entspannen“. Wow. Statt ein Zimmer auf dem Dachboden hatten wir nun ein großes Öko-Haus für uns allein zur Verfügung.
Ich war überrascht. Nicht nur, dass nichts verschlossen war (in Halle weniger denkbar) – sondern vor allem darüber, welche Form von Gastfreundschaft, Offenheit und Vertrauen uns da begegnete. Und obwohl wir für diese Unterkunft etwas zahlten – „normal“ sieht in meinen Augen doch etwas anders aus. „Schade eigentlich“ denke ich so gerade beim Schreiben dieses Textes. Ist meine Norm von Normalität eigentlich normal? Will ich dies so? Und mir fällt ein, dass ich – obwohl alles offenstand, jeder sein Haus hätte betreten können und Frits scheinbar keine Angst davor hatte – tatsächlich unsere Fahrräder angeschlossen habe. Safety first…
Wir haben die Tage bei ihm sehr genossen. Zurück bleibt aber die Frage, wie es mit meiner eigenen Gastfreundschaft aussieht – die ja nicht nur als Akt der Nächstenliebe bedeutet, Fremden eine Unterkunft zu geben.

Gastfreundschaft in der Bibel

Der erste Teil der Bibel – das Alte Testament – ist voller Geschichten, in denen Gastfreundschaft praktiziert wurde. Abraham – der Stammvater der drei großen Religionen – begegnete dieser Gastfreundschaft, als er aus seiner Heimat in ihm unbekanntes Land aufbricht und dort quasi einen Neuanfang wagt. Aber er genießt nicht nur Gastfreundschaft – er wird selbst gastfreundlich.
Dann die Söhne Jakobs, als sie aufgrund der Hungersnot in ihrem Land nach Ägypten gehen mussten. Elija erlebt eine Gastfreundschaft, bei der quasi das letzte Hemd angeboten wurde. Gastfreundschaft hat halt nichts mit äußerlichem Reichtum zu tun. Es gibt noch viel mehr Geschichten, die von der Umsetzung dieser jüdischen Tradition berichten. Lesenswert.

Jesus lebt Gastfreundschaft

Das Leben Jesu – von dem uns zu Beginn des Neuen Testamentes berichtet wird – beginnt mit einem Mangel an Gastfreundschaft. Maria und Joseph werden nirgendwo aufgenommen und Jesus wird daher in einem Stall in einer Krippe geboren. Gott wird Mensch und die anderen Menschen haben keinen Platz für ihn?!

„Er kam in seine Welt – und die Welt nahm ihn nicht auf“ – nach Johannes 1,11

Schon irgendwie merkwürdig. Trotz dieser frühkindlichen Erfahrung zeigte und genoss Jesus (Gott und Mensch zugleich) Gastfreundschaft. Und die Schriftgelehrten und die Pharisäer? Sie kannten die Thora. Sie wussten, dass Gott sich der Fremden, Waisen, Armen und Sünder erbarmt. Dennoch kritisierten sie Jesus für seinen Umgang mit Menschen. Sie kritisierten ihn für seine Menschlichkeit. Seine praktizierte Nächstenliebe. Aber letztlich war ihr Leben nicht geprägt von Integration und Inklusion – sondern halt von Exklusion. Wer auch immer nicht den Maßstäben dieser frommen Leute entsprach wurde ausgegrenzt und ausgeschlossen. Unter anderem dieser Mangel an Gastfreundschaft wurde immer wieder von Jesus kritisiert.

Was hat das mit Nächstenliebe zutun?

Wenn ich mir dann andere Geschichten des Neuen Testamentes vor Augen führe, so spüre ich, dass Gastfreundschaft tiefer geht, als ich es bislang vermutet und auch gelebt habe. Ich entdecke große Überschneidungen zwischen Nächstenliebe und Gastfreundschaft. Deutlich wird dies u.a. im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es ist für mich eines der größten Darstellungen von Nächstenliebe und Gastfreundschaft. Lies einfach mal Lukas 10,25-37.

Und bei mir?

Manchmal klingt Gastfreundschaft in meinen Ohren anstrengend und zermürbend. Ich habe beruflich schon mit vielen/genügend Menschen zu tun, die oft herausfordern. Und ich brauch auch nicht immer Menschen um mich herum – obwohl ich dies wirklich genieße. Es ist nicht so, dass ich ungastfreundlich bin (falls es dieses Wort gibt).
In Rückschau auf Frits und dem in der Bibel Gelesenem habe ich dennoch meine inneren Anfragen an das Leben, welches ich führe/welches wir als Familie führen. Innere Anfragen über die Offenheit unserer Wohnung und dem Weggeben vom dem was wir haben, vielleicht manchmal sogar dem Teilen von Sachen. Wahrscheinlich würde es mich schon stören, wenn da jemand zu tief in „mein/unser Reich“ eindringt. Gastfreundlich kann ich sicher mal nen Abend lang sein. Aber als Grundeinstellung? Da bin ich immer noch am Lernen.

Gott setzt Maßstäbe

Aber ich habe das Vorrecht, mein Denken und dann auch mein Handeln immer wieder an den Maßstäben Gottes, an meinem Verständnis von seinem Reich, anzupassen. Und ich muss da auch immer wieder korrigiert werden. Da bin ich dankbar für erlebte Gastfreundschaft, welche mir als Vorbild und Orientierung dient. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass Gastfreundschaft noch mehr zu einer Grundbotschaft unserer Familie wird. Ohne Zwang und einem Muss – sondern vielmehr aus einem Herzen heraus, welches Jesus gefallen und ihn repräsentieren möchte.

Wo kannst Du gastfreundlich sein? Oder, um es einfacher zu machen: Lade in den nächsten vier Wochen mal xxxxxx (kannste dir aussuchen) ein. Einfach so. Weil er/sie es wert ist.

Das erinnert mich an ein Lied, welches ich bei Kings Kids (einem Dienstzweig von Jugend mit einer Mission) erlebt hat. „This little light of mine“. Lass es also leuchten.