Ich weiß, dass ausgesprochene Worte Einfluss auf mein Leben haben. Und dies nicht nur, weil ich davon gehört oder gelesen habe. Auch in der Bibel gibt es mehrere Hinweise darauf, z.B.:

„Tod und Leben stehen in der Macht der Zunge; wer sie liebevoll gebraucht, genießt ihre Frucht“
– Sprüche 18, 21

Gerade letzteres zeigt mir, dass es immer mal wieder lohnenswert ist, sich mit Worten zu beschäftigen. Mehr über die Wirkungen von Sprache nachzudenken. Mehr zu reflektieren, was ich wem, wo und wie sage – aber auch was ich höre; welche Worte ich letztlich in mein Leben lasse.

„Schön, dass es dich gibt“

Erst neulich habe ich so eine Erfahrung machen dürfen. Nicht beim Autofahren, nicht in meiner Familie, sondern in einem ganz anderen Kontext. Keine niederschmetternden Worte wie man vielleicht denken mag. Eher eine andere Richtung, gefühlt aus einer anderen Welt. Getroffen hatte ich mich mit unterschiedlichen Menschen, welche im gleichen Berufsfeld tätig sind. Bunt gemischt und eine große Bandbreite von Sozialer Arbeit, welche abgedeckt wurde. Wir sehen uns nicht oft – vielleicht 3-4x im Jahr. Auch sonst habe ich wenig Kontakt zu ihnen.
Als wir mit unserer Besprechung fertig waren, ging ich aus dem Haus, schloss mein Fahrrad ab und wollte noch das obligatorische „Tschüss“ sagen. Da geschah es. Wie aus dem Nicht heraus. „Schön, dass es dich gibt, Leo. Ja, schön, dass es dich gibt“ sagte er und verschwand. Es war jetzt nicht mein Geburtstag alá „Wie schön, dass Du Geburtstag hast, wir hätten dich sonst sehr vermisst“. Nein, diese Worte kamen einfach so. Ohne Ankündigung. Aus dem Kalten heraus. Ohne die Möglichkeit sich vorzubereiten. Die Sätze trafen mich in meinem Innersten und ich war perplex. Ich weiß mittlerweile gar nicht mehr so genau, was wir alles vorher besprochen hatten. Eindrücklich zurück – und auf eine besondere Art nachhaltig – blieben und bleiben nur diese Wörter:
„Schön, dass es dich gibt.“.
Ich musste lang darüber nachdenken – und denke immer wieder daran. Es war keine Anmache und auch kein enges Familienmitglied – es war halt „Jemand“, jemand besonderes. Ich weiß gar nicht so viel über diese Person – aber ich mag sie jetzt :).
Ich habe mir in den letzten Wochen vor allem drei Fragen immer wieder gestellt – und bin auch noch nicht so richtig durch damit.

Warum hinterließ dieser Satz so einen Eindruck

In unserer nach wie vor leistungszentrierten Gesellschaft höre ich oft „haste gut gemacht“, „das und das wäre vielleicht besser gewesen“, „das hat er/sie nicht verdient“ oder auch „etwas mehr geht noch“. Und wenn ich dann genauer nachfrage oder auch anders als erwartet reagiere, höre ich oft „ist doch nur als konstruktive Kritik gemeint“. Viele dieser Optimierungsvorschläge sind allerdings nicht konstruktiv, sondern einfach nur dämlich, kritisch und zerstörerisch. Eine Kultur der Wertschätzung – die ich mir auch für und durch mich wünsche – sieht einfach anders aus.
Und auch wenn es nicht so gemeint sein sollte. Viele Meinungen bewerten halt nicht nur das, was ich mache, sondern auch die Person, die ich bin. Und dies ist nicht immer nett. Deshalb beeindruckt mich dieser Satz. Es geht nicht um Leistung, um etwas tun, um Aktion – sondern um das Sein. Und ich merke in meinem Herzen, dass so eigentlich Gott ist. In erster Linie steht das Sein und nicht das Tun. Samuel Koch hat da mal was Interessantes zu diesem Thema zu sagen gehabt. Schaut einfach mal rein.

Und das bringt mich gleich zur zweiten Frage.

Mit welchen Worten begegne ich meinen Mitmenschen

Meine Kultur der Wertschätzung ist noch sehr ausbaufähig. Ich baue auf dem Fundament der Erkenntnis und des Erlebten gerade die Kelleretage – soll heißen, dass noch nicht so viel sichtbar ist. „Nicht gemeckert ist genug gelobt“. Manchmal muss ich über diesen Satz lächeln. Dennoch zeigt er mir ein altes Denkschema in meinem Kopf, welches nicht gesund ist und wo ich mir Veränderung wünsche. Ich will sicherlich den Leuten nicht nach dem Mund reden – habe ich mal gemacht, ist aber einfach Mist. Ich will Ihnen ehrlich begegnen und auch ehrliche Worte finden. Dazu ist es aber wichtig, dass ich mein Gegenüber wahrnehme. Wirklich wahrnehme. Zuhöre. Aufmerksam bin. Nachfrage. Ehrliches Interesse habe. Nicht jedes Wort hinterfrage. Mein Gegenüber einfach sein lasse – auch wenn ich das Tun nicht immer gut finde.

Kann ich diesen Satz auch über mich sagen

Mit einem kleinen Augenzwinkern sicherlich kein Problem – aber dennoch: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ setzt halt diese Selbstliebe voraus. Gemeint ist keine Selbstverliebtheit und kein fixiert sein auf die eigene Person. Sich selbst lieben ist nicht egoistisch, sondern Grundvoraussetzung, um andere so wahrzunehmen, wie sie sind. Ich weiß, dass viele Menschen kein Ja zu sich finden. Es gibt halt immer was zu meckern. Immer dunkle Flecken. Immer Optimierungswünsche. Irgendwie hängt dies alles mit meiner/der Identität zusammen – wer ich bin und wer meinen Wert definiert. Da habe ich in all meinen Jahren viel dazulernen dürfen. Ich bin noch nicht ganz durch – aber es gelingt mir immer mehr, mein Sein durch den definieren zu lassen, der mich kennt und liebt. Und das ist Gott. Das ist Jesus. Ihm gegenüber kann ich voller Aufrichtigkeit sagen: „Danke, dass es mich gibt“.

Zum Weiterlesen:
Dietrich Bonhoefer: Widerstand und Ergebung. Wer bin ich. (Zum Text)