Gefühle gehören zum Leben. Mal mehr mal weniger, mal schöner mal schwieriger. Doch sie kommen und gehen und machen uns lebendig. Spätestens mit Kindern im Haus sind Gefühle im Alltag nicht wegzudenken, damit meine ich nicht nur die Gefühlsstürme der Kleinsten, sondern auch unsere.

Doch wie authentisch bin ich mit meinen Gefühlen, vor allem gegenüber meinen Kindern?

Kinder brauchen ehrliche Gefühle

Ich hab früher als meine erste Tochter noch klein war, oft meine Gefühle vertuscht und verdrängt um ihr ein fröhliches, freundliches Gesicht zu präsentieren, auch wenn es mir nicht gut ging. Heute weiß ich das ihr damit nicht geholfen war, denn Kinder merken sehr schnell an nonverbalen Signalen, was ihr Gegenüber fühlt. Vor allem dann, wenn es ihre erste Bindungsperson ist, weil sie wissen, wie abhängig ihr Überleben von dieser Person und deren Zustand ist.

Wenn ich also innerlich total wütend oder gestresst bin und dies dann mit einem Lachen überdecke, ist das gar nicht unbedingt bewusst, sondern eher weil ich es nicht so richtig zulassen wollte. Lächeln scheint erstmal sicherer und besser als zu benennen, was wirklich los ist. Wenn ein Kind aber nun diese Diskrepanz wahrnimmt, wenn es in meinen Augen und an meiner Stimmlage merkt, dass es mir nicht gut geht, ich es aber weglächle und ignoriere, kann dies zu tiefer Verunsicherung in meinem Kind führen.
Weil Kinder ehrlich sind, gehen sie davon aus, dass jeder ehrlich ist. Deshalb verstehen sie Sarkasmus und Ironie nicht. Aber auch die Diskrepanz von Gesichtsausdruck und was wir sagen, verstehen sie nicht. „Täuscht mich mein Gefühl, oder täuscht mich meine Mama? Mama würde mich nicht täuschen, also täusche ich mich.“

Wir sollten Gefühle benennen

Aber was ist stattdessen die Lösung? Wir können ja nicht unseren emotionalen Mist auf die Kleinen abladen. Wir wollen sie ja auch schützen.

Ja da stimmt, wir sollten sie schützen. Aber nicht, indem wir unehrlich sind und ihnen etwas vortäuschen, sondern indem wir unsere Gefühle verarbeiten und uns um unsere Ausgeglichenheit kümmern bevor es überhaupt eskaliert. Doch wenn es mal so ist, was sehr wahrscheinlich ist, dass die eigenen Gefühle hochkochen, habe ich es als unfassbar wertvoll erlebt, es einfach zu benennen.
Wenn ich sauer bin, schnaube ich aus, weil mir danach ist  ich und einfach ich bin sauer. Dann sag ich meist auch warum und mache ihnen klar, dass es nicht ihre Schuld ist, wenn ich große Gefühle habe, sondern meine Verantwortung wie ich damit umgehe. Das hilft nicht nur ihnen, Gefühle kennen zu lernen und zu benennen, sondern auch mir selbst. Wenn mich ein Gefühl überwältigt und eine Emotion auslöst, kann ich es einordnen und muss es nicht verstecken, sondern kann schnauben, „oh man“ sagen, stampfen, rennen, mich schütteln, rumhüpfen und all die Dinge, die Emotionen voll ausgelebt eben herbeibringen. Das befreit mich und löst das ursprüngliche Gefühl auch viel schneller, ein „arrr, ich bin so sauer!“ kann wahre Wunder wirken!

Einfach rauslassen

Einmal bin ich nach einem sehr aufwühlenden Gespräch mit einem Wagen mit drei Kindern einen Waldweg langgerast, bergauf und ab und ich hab geschnaubt und gerufen, wie wütend ich bin. Das tat so gut. Die Kinder hatten währenddessen den größten Spaß und wollten mehr und mehr, die enorme Energie die ein so intensives Gefühl wie Wut hervorbringt, konnte durch das Schnauben, Brüllen und durch das Rennen und Schieben sofort in etwas Gutes umgewandelt werden. Ich musste gar nicht so tun als wäre ich happy-clappy, die Kinder waren voll ok damit, fanden es witzig, weil ich so authentisch war und sie freuten sich einfach über die rasante Fahrt. Irgendwann musste ich dann mit ihnen lachen, war einfach nur ausgepowert, aber so unfassbar gelöst und glücklich.

Ich glaube schon als Kind dachte ich immer meine „negativen“ Emotionen sind unerwünscht, sind problematisch und ich wurde still, doch es fraß mich innerlich irgendwie auf so still zu sein.

Eigentlich bin ich ein sehr sprudelnder Mensch, aber viele die mich nicht kennen würden das nicht so von mir behaupten, weil ich so still und in mich gekehrt wirke. Doch das liegt zum Großteil an dem Glaubenssatz, dass meine Gefühle keinen Platz haben uns sogar problematisch sind.

Authentizität als Vorbild für die Kinder

Jetzt spreche ich einfach mit meinen Kinder darüber, wie ich mich fühle, sie müssen gar nicht die Details wissen warum und wieso, das meiste verstehen sie wahrscheinlich nicht. Oft reagieren sie nicht direkt drauf, wahrscheinlich denken sie sich eher sowas: „Jo, ist schon klar, das nehme ich auch so wahr.“

Aber was ich auch merke, ist, dass es ihnen gut tut, dass ich es ausspreche und nicht eine gute Miene zum bösen Spiel mache.

Ihre Welt soll stimmig und authentisch sein, sicher und verlässlich, lebendig und bewegt, ehrlich und liebevoll. Meine Gefühle zu benennen und authentisch mit meinen Emotionen zu sein, lässt sie wissen, dass ich mir meiner inneren Welt bewusst bin und meine Empfindungen ernst nehme, aber mich weder von Ihnen beherrschen lasse noch sie verdränge. Und das ist genau das, was ich meinen Kindern mit auf den Weg geben möchte. Also fange ich in kleinen, scheinbar unbedeutenden Momenten an, denn unbedeutend sind sie keinesfalls.

Fragen:

  • Wie gehst du mit deinen Gefühlen und Emotionen um?
  • Kannst du ihnen Ausdruck verleihen?
  • Wie sind deine Erfahrungen mit unterdrückten vs. ausgelebten Emotionen?