Willkommen zur letzten Kolumne von Zuflucht im Jahr 2020. Spannend, denn die Zahl 2020 sieht für mich immer noch sehr futuristisch aus.

Für viele Menschen ist dieses Jahr sehr negativ besetzt. Manche haben liebe Menschen verloren, die Umstände haben Einsamkeit und Traurigkeit geschafft oder verstärkt und manche Menschen sind wütend und frustriert. Ich glaube, wir sind dieses Jahr alle in Achterbahnen der Gefühle geraten, waren fassungslos, konnten Hoffnung schöpfen und mussten dann doch wieder Abstriche machen. 2020 als Jahr der Pandemie, der Demonstrationen, der Ausschreitungen, der Wut, der Trauer, der Resignation.
Aber ist das alles?

Optimismus in schwierigen Zeiten

Ich denke, wir können unsere Wahrnehmung und damit unsere Erinnerungen dadurch prägen, wie wir über Dinge nachdenken und zu welchem Umgang mit ihnen wir uns entscheiden. Alles hat seine Zeit, wie der Prediger sagt. Wut, Trauer und Hoffnungslosigkeit haben ihre Berechtigung. Wir müssen das fühlen. Aber sie haben auch ein Ende, an dem wir uns entscheiden können, nach vorne zu blicken bzw. mit guten Gedanken zurückzublicken.

Ich könnte super gut ein persönliches negatives Fazit für das Jahr schreiben. Es war geprägt von schlechten Entscheidungen, Übermut, Unrecht und schlechten Gedanken. Aber war das alles?

Für mich war dieses Jahr geprägt von Einsichten. Ich habe noch nie so viele Dinge reflektiert, so viele Muster hinterfragt und so viel erkennen dürfen. Ich habe getrauert über die Vergangenheit und die Gegenwart und musste sichere Gedankengebäude schweren Herzens einreißen. Ich musste Buße tun und verstehen, dass ich trotzdem geliebt bin.

Ich durfte so viel wachsen im letzten Jahr. Dafür bin ich Gott unglaublich dankbar, aber auch allen Menschen, die mit mir unterwegs sind, und die mich ausgehalten, ermahnt oder getröstet haben.

Ich kann von mir sagen, dass ich im Moment so sehr ich selbst bin, wie ich es nie zuvor war. Klingt kitschig. Ist aber so. Und ich hoffe, dass ich das nächstes Jahr lese und denke: Jetzt bin ich es noch mehr als damals.

Bildlich gesprochen fühlt es sich an als hätte ich mich freigeschwommen. So lange bis ich alle Dinge um mich herum mit Abstand betrachten und neu sortieren konnte.

2020 ist das Jahr der Anfänge für mich. Ich habe neue Aufgaben übertragen bekommen. Ich habe neue Hobbys begonnen. Ich habe angefangen zu fragen: Wo will ich hin?

Ich habe mir früher nie erlaubt zu träumen. Ich habe immer gesagt: Das kann ich nicht. Wahrscheinlich habe ich es mir abtrainiert. Deswegen gab es zum Beispiel auch nie Neujahrsvorsätze. Wird ja eh nichts. Ich bin ins neue Jahr gestartet mit der Hoffnung, dass nichts Schlimmes passiert.
Dieses Jahr werde ich ins neue Jahr starten und auf Dinge hoffen, Pläne und Ziele haben und mich an ihnen freuen.

Besinnung auf das Wesentliche

Zu alledem hat das Jahr 2020 mit seiner Ruhe und der Reduktion des Lebens auf wenige Bereiche beigetragen. Versteht mich hier bitte nicht falsch: Ich wünschte auch, es wäre anders gelaufen! Aber ich kann auch sehen, dass in all dem Leid ein Hoffnungsschimmer verborgen lag.

Es ist bald Weihnachten. Die Innenstädte sind leer. Keine Weihnachtsmärkte, kein Glühwein, keine Weihnachtslieder aus Lautsprechern. Hier in Halle ist es recht still auf dem Marktplatz. Was hier jedoch steht, sind eine Krippe und eine kleine Holzkirche. Eigentlich ist beides unscheinbar. Von der Krippe weiß ich, dass sie jedes Jahr dort steht zwischen Verkaufsständen und Mini-Eisenbahn. Ich glaube, sie ist wenigen aufgefallen. Dieses Jahr steht sie allein. Das, was bleibt. Nicht Konsum, nicht Schnelllebigkeit, sondern das, was eben bleibt.

Ich habe noch nie so ein weihnachtliches Weihnachten erlebt. Ich glaube, ich verstehe erst dieses Jahr die Bedeutung von Advent. „Advent“ heißt Ankunft. Es heißt warten und erwarten. Vorfreude. Innehalten. Früher war die Adventszeit laut und voller Trubel und Weihnachten war dann die Stille. Jetzt ist Advent irgendwie freudiges Warten in Stille und Weihnachten kann strahlen.
Verstehst du, was ich meine?

2020 hat viele Tiefen, viel Kummer mit sich gebracht. Aber ich wünsche dir und mir, dass wir auch positiv auf das Jahr zurückblicken können, wenn es in Richtung der Feiertage geht.
Wofür bist du dankbar? Was hoffst du für 2021? Fällt es dir schwer, das Gute zu sehen?
Ich hoffe, dass du jemanden hast, mit dem du darüber reden kannst. Du kannst mir auch gerne schreiben.

Sei gesegnet und behütet!
Marie